In weiten Teilen Südamerikas gehört Armut zum Alltag und Zugang zu fließendem Wasser und Elektrizität sind ein Privileg. Auch in Argentinien gibt es große Elendsviertel. Die spendenbasierte Organisation „un Techo para mi país“ (dt. „ein Dach für mein Land“) kämpft dagegen an und baut zusammen mit den Menschen vor Ort und freiwilligen Helfern Häuser. Für uns sind es nur 6x3m, für sie der Anfang einer besseren Zukunft!

Hütte im ElendsviertelIch habe drei Monate in Buenos Aires, Argentinien, gelebt – einer Wohlstandsblase. Man muss sich hier nicht wegbewegen. Man kann die Augen einfach verschließen. Als Deutscher regt man sich über die fehlende Mülltrennung oder den immensen Verbrauch an Plastiktüten und -besteck auf. Doch das ist für dieses Land zunächst das kleinere Problem. Fährt man nur wenige Kilometer aus der Hauptstadt heraus, wird man mit der gnadenlosen Realität konfrontiert: den Villas miserias.

Argentiniens Elendsviertel erstrecken sich über weite Teile des Landes. Da Argentinien als eines der fortschritt- licheren Länder Südamerikas gilt, war ich geschockt, dass Armut in diesen Vierteln an der Tagesordnung steht. Menschen leben dort mit bis zu 10 Personen in kleinen Hütten aus Holz, die meist nur aus einem oder zwei Zimmern bestehen. Sie sind provisorisch, kein Hindernis für Wind und Regen und Familien teilen sich meist nur zwei Betten. Für mich war es einfach unvorstellbar, bis ich es selbst gesehen habe.

Die Organisation – TECHO:

TECHO baut Häuser für Familien in Argentiniens Armutsvierteln. Zu einem Haus muss jede Familie max. 1500 argentinische Pesos (ca. 90 EUR) beitragen. Auch wenn dieser Betrag für die Familien groß ist und in Raten abgezahlt werden kann, deckt er nur einen Bruchteil der eigentlichen Kosten ab. Entscheidend für die Arbeit der Organisation sind daher also nicht nur freiwillige Helfer und Hauptamtliche, die regelmäßig mit den Familien in Kontakt treten, sondern vor allem finanzielle Mittel in Form von Spenden.

Als uns meine argentinische Professorin während einer Vorlesung von der Organisation erzählte, stand ich diesem Projekt anfangs etwas skeptisch gegenüber, weil es sich aufgrund der Abhängigkeit von Spenden nicht selbst finanzieren kann und die gebauten Häuser keine langfristige Lösung sind. Mich störte, dass die Häuser aus Holz sind, dass sie nur ein Zimmer beinhalten, dass es kein Bad und kein Wasseranschluss gibt und die Familien für Licht und Elektrizität selbst sorgen müssen.

Aber weißt du was? Man kann nicht alles auf einmal erreichen. Man muss dort anfangen, wo es am nötigsten ist und das Konstruktionswochenende hat mir gezeigt, dass un Techo eben doch etwas bewegen kann. Es macht Menschen glücklich, gibt Hoffnung und einen Schubs in die richtige Richtung – in die Richtung einer besseren Zukunft.

Häuser bauen – Ein Konstruktionswochenende mit un Techo

Freitags, 19 Uhr, Capital Federal: Alle Freiwilligen treffen sich in einer Turnhalle, um in 8er-Teams einem von 20 Barrios (Stadtvierteln) zugeteilt zu werden. Das bedeutet, dass allein in der Provinz Bunoes Aires, um die 200 Häuser an einem Wochenende gebaut werden können. Ich werde dem „Barrio 12 de Julio“ zugeteilt, einem Stadtviertel, dass ca. eine Stunde südlich von der Hauptstadt liegt. Wir beginnen mit dem Beladen der Busse: Werkzeuge, Wasser, Essen. Schon jetzt ahnen wir, was auf uns zukommen wird: Ein anstrengendes Wochenende mit viel Arbeit, Schweiß, Schmerzen und wenig Schlaf.

„Unterwegs fällt schon jetzt auf, dass es kein Abwassersystem gibt und überall Müll herumliegt.Wie das wohl im Sommer riechen wird, kann ich mir lebhaft vorstellen“

Nach 5 Stunden Schlaf auf dem Fußboden einer Schule, heißt es um 6 Uhr morgens aufstehen. Der Tag, auf den die Familien so lange gewartet haben, ist gekommen. Der Tag, an dem für sie eine neue Zukunft beginnt. Wir schnappen uns die Werkzeuge und genügend Wasser, um in der Hitze zu überleben, und machen uns zu Fuß auf den Weg zu den Familien. Unterwegs fällt schon jetzt auf, dass es kein Abwassersystem gibt und überall Müll herumliegt. Wie das wohl im Sommer riechen wird, kann ich mir lebhaft vorstellen.

Wir stellen uns den Familien vor und sie erzählen uns von ihrem Leben. Obwohl sie bereits ein kleines Holzhäuschen besitzen und sowohl Elektrizität als auch Wasser vorhanden sind, sind die Umstände dennoch erschreckend. Stromleitungen verlaufen auf Kopfhöhe durch den Garten und fließendes Wasser gibt es nur Stellaaus einem Hahn außerhalb des Hauses. Oft kommt es zu Stromausfällen. „Manchmal haben wir tagelang keinen Strom“, erklärt uns Stella, die zusammen mit ihrer Familie ein Haus von der Organisation erhält. Auch wenn Un Techo keine Lösung für diese Probleme bieten kann, sind die provisorischen 6x3m-Holzhäuser für diese Familien wie ein Geschenk des Himmels. Denn ein regenfestes Dach bedeutet zumindest schon einmal, dass man sich nicht mehr um nasse Betten und nasse Kleidung sorgen muss.

Zu Beginn der Konstruktion müssen wir Löcher graben und Pfähle aufstellen, denn das Haus soll erhöht stehen, sodass bei Regen kein Wasser eindringen kann. Es ist anstrengend und man fragt sich, wieso man sich das überhaupt antut. Stück für Stück arbeiten wir uns voran. Als wir am letzten Tag bei Sonnenuntergang auf dem Wellblechdach sitzen und den letzten Nagel reinschlagen, sind wir einfach nur glücklich. Müde, aber glücklich! Jegliche Schmerzen und Anstrengungen, die wir auf uns genommen haben, werden durch das Lächeln der Kinder und die Tränen der Mutter entschädigt. Sie können es nicht fassen und sind uns einfach nur dankbar.

Helfer auf dem Wellblechdach
Das Dach in seinen letzten Zügen

Das Konstruktionswochenende war für mich ein sehr spezielles, eindrucksvolles und unvergessliches Erlebnis! Was mich am meisten begeistert hat, war eines meiner Teammitglieder: Roxie lebte selbst unter gleichen Umständen und hat einen Monat vorher ein Haus von Un Techo erhalten. Sie erzählte mir, wie glücklich sie seitdem ist, dass ihre Kinder durch das Haus springen und den Regen durch das Fenster beobachten, denn jetzt müssen sie sich nicht mehr um nasse Betten sorgen. So habe ich das noch nie gesehen. Sie hat sich dazu entschieden, dieses Glück zu teilen und selbst als Freiwillige mitzuhelfen. Zu sehen, dass seine eigenen Anstrengungen Früchte tragen – Menschen glücklich zu machen – ist eines der tollsten Gefühle. Es gibt einem Antrieb und Willensstärke die Welt zu verändern!

Helfer auf dem Wellblechdach

Al mundo lo hacemos todos – Die Welt gestalten wir gemeinsam.

Die Sache ist die: man liest oft von solchen Elendsvierteln und Menschen, die unter diesen Umständen leben, aber man lässt es nicht an sich heran oder nimmt es einfach so hin. Klar wusste ich, dass es das gibt und dass es auch Menschen gibt, die noch weniger zum Leben haben. Aber selbst vor Ort zu sein und es zu sehen, mit den Menschen darüber zu sprechen, ist ein völliges neues Erlebnis und öffnet einem die Augen. Man muss nicht immer gleich die Welt verändern. Ich habe für mich gelernt, dass auch schon in den kleinen Taten das Glück steckt und man eben doch etwas bewegen kann.

Konstruktionsteam mit Familie
Das Konstruktionsteam „Caudrilla 8“ von un Techo mit der Familie von Stella

Wie kannst du helfen?

Spenden.
Die Organisation ist stark auf externe Hilfe angewiesen und kann sich nicht selbst finanzieren. Deshalb sind Spendengelder enorm wichtig, um ihren Erfolg voran zu bringen.

Mithelfen.
Außerdem kann man sich natürlich selbst als Freiwilliger vor Ort engagieren. Solltest du in Südamerika unterwegs sein, nimm doch an einem Konstruktionswochenende teil oder unterstütze eine Spendensammelaktionen.

Weitersagen.
Was du natürlich auch machen kannst: weitersagen! Je mehr Aufmerksamkeit und Publizität Un Techo bekommt, desto größer ist der Impact, den die Organisation schaffen kann und desto mehr Familien kann geholfen werden!


Über die Autorin:

Charlotte SchnitzspanCharlotte Schnitzspan
Human Resources
Charlotte studiert BWL im 5. Semester, ist Teil des HR Ressorts und befindet sich zurzeit im Auslandssemester in Argentinien.

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