Wie kann man mit ganz einfachen Fragen Fortschritt voranbringen? Und was hat das mit Cola zu tun? Das zeigt das kollektiv gesteuerte Premium-Cola, initiiert von Uwe Lübbermann, der im Rahmen eines Gastvortrags der Vorlesung “Corporate Social Responsibility” in Mannheim war. Wir haben nicht nur mit Uwe gesprochen, sondern auch mit der CSR- Professorin Dr. Laura Schons und ihrer Doktorandin Inken Blatt.

Als vor siebzehn Jahren einfach so das Rezept von Uwe‘s Lieblingscola geändert wird, merkt Uwe, dass Wirtschaft nicht richtig funktioniert, wenn Konsumenten bei ihren gekauften Produkten nicht mitentscheiden dürfen. Also beginnt er, sich mit anderen Interessierten Sonntags im Hamburger Golden Pudel Club zu treffen. Sie bestellen 1000 Flaschen des Originalrezepts, überlegen deren Verteilung, und aus den Pudeltreffen entstehen Premium-Cola und das Kollektiv, das in einem Forum so lange miteinander spricht bis alle zustimmen – gewöhnlich dauert das zwei Wochen. Uwe agiert dabei als zentraler Moderator und Kompass.

premium-cola-infografikMan ahnt es schon: Premium-Cola macht vieles anders. Sie verzichten beispielsweise auf Werbung, denn das “ist meistens ungewollte Kommunikation”. Auch den mahnenden Zeigefinger, der häufig Verhaltensänderungen herbeiführen soll, gibt es selten – stattdessen “machen wir das einfach mal so, wie wir glauben wie es besser ist.” So ist Premium auch gewachsen, langsam und Stadt um Stadt, wobei Uwe bewusst den klassischen Gründungsprozess mit vertraglichen Abhängigkeiten von Banken vermieden hat.

Mittlerweile gibt es ihre Getränke – neben Cola auch Limonade, Bier und Mate – in zweihundert Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dabei kommen sie mit zehn Mitarbeitern aus, haben aber keinen einzigen geschriebenen Vertrag – dadurch können Vereinbarungen flexibel angepasst werden, und bei guter Zusammenarbeit haben Partner wenig Grund zu gehen. Auch Unternehmenstransparenz ist wichtig – wer was pro Flasche bekommt ist genau aufgeschlüsselt. Ihr Produkt ist jedoch nicht das Getränk – Uwe findet eher dass sie eigentlich eine Dienstleistung anbieten, nämlich das Kümmern um Menschen: “Getränke können andere auch, und auch billiger – das geht immer billiger. Uns gibt es, glaube ich, weil wir das so machen. Das ‘Wie’ ist das Entscheidende.

[ut_custom_box title=“Sustainable Development Goal 10:“ background=“f0eeee“ border_width=“1″ border_color=“#d8d8d8″ border_radius=“6″ border_style=“solid“]Mit SDG 10 soll die soziale, ökonomische und politische Inklusion aller Menschen erreicht werden um Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Ländern zu reduzieren. Diskriminierende Gesetze und Praktiken sollen durch angemessenere ersetzt werden um gleiche Möglichkeiten sicherzustellen – was, wie Premium-Cola zeigt, auch im Arbeitsalltag wichtig ist.[/ut_custom_box]

Bei Premium-Cola ist Gleichwertigkeit ein Grundsatz. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle gleich behandelt werden – viel eher sollen Angestellte, angepasst an ihre unterschiedlichen Bedürfnisse, eine gleichwertige und gleichberechtigte Behandlung erfahren, sodass nicht weniger Ungleichheit erreicht wird, sondern mehr Gleichwertigkeit. Und was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun? Was Premium so tut, passt genau zu der Kombination sozialer, ökonomischer und ökologischer Aspekte. Das sei auch logisch: “Wenn versucht wird, mit allen Beteiligten zu reden und Lösungen zu finden – da kommt man automatisch dazu, dass man eine Balance braucht.

Ergänzt wurde das Konzept um Eigenschutz und aktive Kommunikation nach draußen, damit die Premium-Idee Verbreitung findet. Uwe zieht nämlich Kooperation gegenüber Konkurrenz vor – Konkurrenz verursacht Aufwand und Kosten, aber “wenn ich Erfahrung teile habe ich nicht weniger – Ich kann teilen und andere gewinnen dazu und teilen wiederum und ich gewinne auch dazu.

[ut_parallax_quote]Ich kann teilen und andere gewinnen dazu und teilen wiederum und ich gewinne auch dazu.[/ut_parallax_quote]

Premium wird daher häufig als Beispiel für Gemeinwohlökonomie angeführt, oder auch als angewandte Nachhaltigkeit. Uwe mag sich jedoch nicht auf einen Namen festlegen lassen, und ist Social Entrepreneurship gegenüber eher skeptisch eingestellt – das sei die richtige Richtung, gehe ihm aber nicht weit genug; viele Social Businesses sind schließlich eher konventionell, beispielsweise mit Investoren und Werbung.

Dass Premium als hochinnovativ gilt erstaunt Uwe, denn die zugrundeliegende Innovation sei schlicht, mit jedem zu sprechen um bessere Lösungen zu finden – was für Uwe verdeutlicht, wie viel mehr nötig ist für tatsächlichen Wandel. Um diesen zu erreichen, glaubt er an Unternehmen verschiedenster Größen, da Größe nichts über Flexibilität aussagt. Dabei ist klar, dass nicht das gesamte Betriebssystem von Premium so auf andere Industrien übertragbar ist – aber einfache Fragen können überall zu Verbesserungen führen.

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Ein Beispiel dafür ist auch die Universität Mannheim. Professorin Schons, für dessen CSR-Vorlesung Uwe gesprochen hat, beeindruckt, dass sein Konzept vieles hinterfragt – “ein Unternehmen muss Werbung und Profit machen, Führungskräfte verdienen mehr als Mitarbeiter, Preistransparenz ist ein Unternehmensgeheimnis” – und zeigt damit, wie Wirtschaft auch funktionieren kann. Nicht nur Konsumenten können Unternehmen hinterfragen, Gleiches gilt auch im Arbeitsumfeld.

Schons selbst integriert die Premium-Prinzipien an ihrem Lehrstuhl durch ausführliche Besprechungen und flexible Arbeitszeiten, was Doktorandin Inken Blatt schätzt: “es ist ein bisschen wie Selbstständigkeit, man kann seinen Tagesablauf viel freier gestalten, sodass das Privatleben nicht um den Job herum gebastelt werden muss”, und effektiver gearbeitet wird. Beide finden dass alle Unternehmen von Premium lernen können, vor allem um das Hinterfragen zu verbessern – “die Fragen basieren auf natürlichem Menschenverstand. Einfach mal unvoreingenommen darüber nachdenken ohne das System zu akzeptieren.

[ut_parallax_quote]Du kannst viel machen – mach’s halt![/ut_parallax_quote]

Was jeder selbst tun kann, ist für Professorin Schons und Uwe ebenfalls klar: “Konsumenten sollten Produkte von Unternehmen kaufen, von denen sie wollen, dass beide, Produkte und Unternehmen, bestehen bleiben, und Produkte nicht kaufen, von denen sie das nicht wollen.” Auch wenn begrenzte Zeit und Möglichkeiten das nicht immer erlauben, zeigt Premium, dass man als einzelne Person durchaus etwas am System ändern kann, indem man einfach einer Idee folgt.

Der allgemeine Trend Richtung Nachhaltigkeit geht Uwe dabei persönlich zu langsam – die Marktanteile solcher Produkte sind zu gering, und der reale, gesamtgesellschaftliche Wandel ist langsam. Jedoch haben viele Akteure die Möglichkeit, auf unterschiedliche Art etwas beizutragen: Konsumenten können Kaufentscheidungen bewusster treffen, und Unternehmen können lernen dass vernünftiges Verhalten nach anfänglichem Mehraufwand schnell effizienter und stressfreier wird. Dabei kann man auch an zukünftige Generationen denken: “wenn man von Gleichwertigkeit spricht geht das ja auch die Menschen an die momentan noch Kinder sind – da können alle was beitragen auf unterschiedlichste Art.” Jeder Beitrag ist gut und ein Schritt in die richtige Richtung – “du kannst viel machen – mach‘s halt!”.

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Zukünftig soll Premium-Cola nicht nur weiter bestehen bleiben, um Alternativen aufzuzeigen, die Reichweite der Ideen soll auch vergrößert werden, um Wandel zu beschleunigen. Parallel dazu überlegt Uwe, wie andere Märkte durch mehr Kommunikation verändert werden können. Auch wenn er davon träumt, mit seiner heutigen Erfahrung nochmal zwanzig zu sein, würde er rückblickend nicht viel anders machen – “weil ich ja vom ersten Tag an alle gefragt habe die schon länger in der Branche sind, habe ich eine viel breitere Informationsbasis, um zu klügeren Entscheidungen zu kommen. Die Fehlerwahrscheinlichkeit sinkt rapide, wenn du eben nicht alleine Geschäft führst, sondern alle mit dazu holst. Und das würde ich auf jeden Fall nochmal genau so machen.

Hilfreich zum Gründen war für Uwe “die Kombination von Sturheit (ein Ziel was erreicht werden soll) und Flexibilität auf dem Weg dahin – man kommt gut an sein Ziel wenn man unterwegs flexibel bleibt. Das heißt nicht, IQ von zweihundert, megagebildet, Millionen von den Eltern geerbt, das ist nicht unbedingt nötig – hilft bestimmt, aber geht auch ohne.” Für angehende Gründer hat er daher zwei Tipps: “frag alle, bau deren Meinung mit ein. Das spart Dir wahnsinnig viele Probleme. Und mach so schnell Du kannst, aber nicht schneller. Nicht beispielsweise so schnell wie die Bank es will, sondern so schnell wie Du es schaffst.

Wir bedanken uns sehr bei unseren Interviewpartnern für ihre Zeit und Inspiration, und bleiben gespannt wie Premium sich weiterentwickelt. Am 29. März kommt Premium für einen Infinity-Workshop auch wieder nach Mannheim: www.premiumcola.de/kollektiv/workshop

Wer nicht mehr so lange warten kann, findet auf ihrer Website weitere Informationen.


Über die Autorin:

Anna-JosephineAnna-Josephine Krüger
CSR/SE
Anna-Jo studiert BWL und Anglistik im Master und ist Teil des CSR-Ressorts. Sie war vorher in Frankfurt, liebt Kamele und bereitet gerade ihre Masterarbeit im CSR-Bereich vor.

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