Annas Unverpacktes
Was haben Zahnpasta, Shampoo, Getreide, Gewürze und Schoko-Kugeln gemeinsam? Sie alle könnten im Supermarkt auch ohne Plastikverpackung gekauft werden. Den Beweis dafür liefert die 31-jährige Anna Wahala: Seit Juni 2015 betreibt sie im Heidelberger Stadtteil Neuenheim den ersten verpackungsfreien Supermarkt der Region – „Annas Unverpacktes“. Ihre Kunden bringen sich ihre eigenen wiederverwertbaren Gläser und Schachteln von zu Hause mit, füllen an großen Spendern (den sogenannten „Bulk Bins“) exakt die benötigte Menge ab und tragen so mit jedem Einkauf zur Reduktion von Plastikmüll sowie Nahrungsmittelabfällen bei.
Gleich zu Beginn natürlich die Frage: Wie kam es zu der Idee, in Heidelberg den ersten verpackungsfreien Supermarkt zu gründen? Hattest Du Kontakt mit den Gründern von Original Unverpackt in Berlin?
Nein, das war bei mir unabhängig vom Berliner Laden Original Unverpackt.
Ich hatte ursprünglich die Idee in Weckgläsern Backmischungen zu verkaufen. Dafür erhält man im Einkauf Mehl und Zucker in 25 kg Säcken und es lag für mich dann nahe, die Backmischungen gleich lose anzubieten. Als ich dann den Laden hier in Heidelberg tatsächlich gefunden habe, wollte ich nicht nur Backmischungen sondern auch noch weitere Produkte verkaufen – natürlich auch ohne Plastikverpackung. Ich setze mich privat schon länger mit dem Thema auseinander wie man insbesondere den Verbrauch von Verpackungen aus Plastik sparen kann und mit meinem Laden möchte ich anderen Menschen die Möglichkeit geben, es mir gleich zu tun. Ich kenne viele Leute, die sagen „ich würde gerne weniger Plastikverpackungen nutzen, aber ich kann ja nicht“. Nach der Eröffnung meines Ladens zählt diese Ausrede zumindest nicht mehr. (lacht)
Wie kommt es, dass Du dich in Form deines Ladens gerade dafür einsetzt, dass wir im Alltag weniger Plastikmüll produzieren?
Gerechtigkeit und Umweltbewusstsein waren mir schon als Kind sehr wichtig. Nachhaltigkeit ist für mich auch heute noch ein Thema, das mich bewegt. Auch wenn jeder immer denkt „Ach, was kann ich alleine schon ausrichten in der Welt“ bin ich schon der Meinung, dass jeder von uns eine große Verantwortung trägt. Wenn ich als Konsument etwas kaufe, dann unterstütze ich das damit.
Die „Bulk Bins“ sind jedoch aus Plastik, oder?
Ja, die Bins sind leider aus Kunststoff – allerdings aus BPA-freiem Kunststoff, also ohne gesundheitsschädliche Weichmacher. Soweit ich weiß gibt es heute ganz einfach noch keine Alternativen. Kunststoff ist heute fast unvermeidlich, weil man die Bins komplett auseinanderbauen können muss, um beim Reinigen tatsächlich alle Stellen zu erreichen.
Du hast Internationales Management studiert und anschließend eine Softwarefirma mit deinem Bruder betrieben – mit der Eröffnung von „Annas Unverpackt“ bist du nun plötzlich in einem ganz anderen Bereich. Was waren für dich als Neuling im Bereich der Lebensmittel die heiklen Knackpunkte bei der Gründung?
Gerade im Bereich der Lebensmittel gibt es einige Richtlinien und Verordnungen, die die Hygiene in den Läden gewährleisten sollen. Und tatsächlich war das bei mir auch von Anfang an ein sehr wichtiges Thema: Ich wollte unbedingt vermeiden, dass mir die Prüfer ein paar Tage vor der geplanten Eröffnung einen Strich durch die Rechnung machen. Aus dem Grund habe ich die zuständigen Stellen schon ganz zu Beginn meines Vorhabens kontaktiert und gleich gefragt, welche zusätzlichen Punkte ich unbedingt beachten sollte. Beispielsweise habe glücklicherweise noch rechtzeitig erfahren, dass man offenes Pulver-Waschmittel nicht im selben Raum wie Lebensmittel abfüllen darf.
Zum verpackungsfreien Einkaufen eignen sich insbesondere Trocken-produkte wie Zucker, Mehl und Nudeln, die jedoch aufgrund einer geringen Marge nur wenig Gewinn abwerfen. Wie hast Du das im Laden gelöst, damit Du noch genug daran verdienst und den Laden am Laufen halten kannst?
Stimmt! Haferflocken werden bei mir zwar sehr gut verkauft, aber alleine davon überlebe ich nicht. Ich biete daher in meinem Laden neben Lebensmitteln wie Getreide, Nüsse, Drogerieartikel, Süßigkeiten und Gewürze auch nachhaltige, regionale und langlebige Produkte an: Kleine Büchsen, die aus Abfällen bei der Zuckerproduktion gemacht sind, Bambusgeschirr, Lunchboxen aus Edelstahl oder Backformen die in einem Dorf direkt hier bei Heidelberg produziert werden.
Obst, Gemüse, Fleisch und Milchprodukte werden nicht verkauft. Wie kommt’s?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen möchte ich die bestehenden Läden und Märkte hier in der Nähe eher sinnvoll ergänzen. Da es um die Ecke schon einen Metzger gibt, verkaufe ich hier nicht auch noch Fleisch. Zum anderen gibt es ziemlich strenge Hygienerichtlinien bei tierischen Produkten: Es ist bei Fleisch und Käse beispielsweise verboten von Kunden eigens mitgebrachte Behälter über die Ladentheke zu reichen, weil es eben zu Verunreinigungen kommen könnte. Der Vorteil bei Trockenprodukten ist die relativ einfache Logistik: Sie sind in der Regel länger haltbar und einfacher zu lagern als frische Produkte.
Ein kurzer Beitrag in der SWR Landesschau über Anna und ihren Laden:
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Auf was achtest Du bei der Herkunft der verkauften Produkte?
Biologisch sind alle meine Produkte und regional wenn möglich. Quinoa oder bestimmte Nüsse bekomme ich natürlich nicht hier aus der Region.
Sind die Produkte, die Du im Laden unverpackt verkaufst, ursprünglich abgepackt, wenn Du sie einkaufst?
Die Produkte kommen leider schon immer abgepackt, das geht aber teilweise einfach auch nicht anders. Das Meiste kommt in Papiersäcken zu mir, allerdings gibt es noch vereinzelt Ausnahmen, bei denen die Plastikverpackung notwendig ist, damit die Produkte nicht ranzig werden – da haben die Hersteller bisher auch noch keine bessere Lösung.
Jetzt gibt es den Laden schon seit knapp einem Jahr und zumindest die Heidelberger Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) – das haben wir während unseres Interviews selbst gesehen – kauft bei dir ein (siehe Bild). Bist Du zufrieden damit, wie dein Geschäft bisher angenommen wird?
Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich hätte mir das erste Jahr schwieriger vorgestellt. Ich dachte, dass es dauern könnte, bis die Leute von meinem Laden erfahren und bereit sind, ihre eigenen Behälter mitzubringen. Eine endgültige Einschätzung, ob der Laden überleben wird oder nicht ist erst nach ca. zwei Jahren möglich. Ich hatte allerdings auch Glück: Zum einen ist das Thema Nachhaltigkeit und das Sparen von Plastikverpackungen gerade sehr präsent. Zum anderen kamen auch sehr viele Zufälle zusammen. Ich hatte vor der Eröffnung gar nicht die Zeit mich um die Öffentlichkeitsarbeit zu kümmern, sondern hatte nur ein kleines Schild an der Ladentüre hängen. Eines Tages hatten wir hier im Viertel jedoch ein Team von Radio Regenbogen, das eigentlich über ein ganz anderes Thema berichten wollte. Als sie dann zufällig auf meinen Laden gestoßen sind, haben sie gleich noch einen Bericht darüber gemacht, der dann auf Facebook plötzlich unglaublich oft geliked und geteilt wurde.
Annas Unverpackt bei Radio Regenbogen:
Wirft der Laden schon genügend Gewinne ab, sodass Du davon leben kannst?
Wie bei jedem Start-Up sind die ersten beiden Jahre noch sehr schwierig. Ich bin heute froh, wenn ich mit dem Umsatz meine Ladenmiete bezahlen kann – das ist allerdings auch das Einzige, wofür das Geld am Anfang reicht. Mein Ziel ist es, nach zwei Jahren nicht nur die Miete bezahlen, sondern auch tatsächlich davon leben zu können.
Welche Zielgruppe kauft hauptsächlich in Deinem Laden?
Zu mir kommen tatsächlich mehr Studenten als ich gedacht hätte! Vielleicht liegt das auch daran, dass ich die Produkte bei mir im Vergleich zu Produkten aus einem herkömmlichen Bio-Laden etwas günstiger anbieten kann, weil bei mir die Kosten für die Verpackung wegfallen.
Ist die Metropolregion Rhein-Neckar denn schon bereit für ein solch innovatives Einkaufskonzept?
Es muss natürlich ein gewisses Bewusstsein für Nachhaltigkeit und für biologische Ernährung vorhanden sein. Das hat häufig etwas mit dem Geldbeutel und Faktoren wie beispielsweise mit dem Bildungsgrad zu tun. Vor diesem Hintergrund ist die Metropolregion und insbesondere Heidelberg mit seinen vielen Studenten eine ziemlich geeignete Region.
Welche sind die größten Hemmnisse für die Kunden eines verpackungsfreien Supermarktes, die vielleicht auch der Grund dafür sind, dass dieses Konzept noch nicht schon viel weiter verbreitet ist?
Ich glaube für einige ist es schon sehr umständlich, wenn sie ihre eigenen Behälter von zu Hause mitbringen müssen. Andere wiederum behaupten, dass sei für sie gar kein Problem, man müsse den Einkauf nur detaillierter im Voraus planen. Es gibt aber auch Kunden, die sagen, es sei auf diese Weise sogar bequemer, weil sie sich somit das Umfüllen zu Hause von der Verpackung in eigene Behälter sparen.
Wenn man dann doch spontan unterwegs ist und keine Behälter bei sich hat: Ist es möglich im Laden Gläser zu kaufen oder zu leihen?
Gläser gibt es zu kaufen und seit kurzem habe ich auf Wunsch einiger Kunden sogar auch Papiertüten, die ich ursprünglich eigentlich nicht haben wollte. Ich sehe meine Aufgabe darin, Möglichkeiten zu schaffen. Was die Kunden am Ende daraus machen, bleibt ihnen überlassen. Papiertüten sind ja immerhin schon einmal besser als Plastiktüten.
Ich hatte mir auch überlegt ein Pfandsystem für geliehene Behälter einzuführen. Allerdings würde ich in diesem Fall für jede kleine Verunreinigung – von wem auch immer verursacht – haften, und dieses Risiko ist mir zu hoch.
Anna, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führten Isabelle (Freundin der Initiative) und Daniel (Co-Founder & External Relations).
Liebe Leser, wie hat euch das Interview gefallen? Wart ihr schon einmal „unverpackt“ einkaufen und wird sich dieses neue Einkaufskonzept in Zukunft durchsetzen? Wir sind gespannt auf eure Meinung!
Wenn ihr Gefallen an dem Thema „Sustainable Food“ habt, dann klickt euch gerne durch den Nachbericht zu unserem vergangenen Event „Taste the Waste“.
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