Spätestens wenn „Last Christmas“ durch das Supermarktradio schallt, der Nachbar leicht mit der Weihnachtsdeko übertreibt, und im Fernsehen größtenteils einen Hauch zu dramatische Werbespots im Festtagsambiente laufen, weiß man, es weihnachtet wieder. 

Mit dieser Erkenntnis wächst nicht nur die Vorfreude auf die Weihnachtsstimmung und Feiertage, sondern auch die Palettengröße an Lebkuchen und Weihnachtsmännern in den Supermärkten und vor allem der Druck, Geschenke zu besorgen. Von Besinnlichkeit und dem Zauber der Weihnacht fehlt oft jegliche Spur. Alle Jahre wieder merkt man, dass man viel zu spät dran ist, sich früher Gedanken hätte machen sollen und man jetzt noch etwas auf die Schnelle besorgen muss. 
Schließlich gehört dieser reziproke Akt des Schenkens einfach dazu. Man will seinen Liebsten, sei es Mama, der Partner oder die Cousine 5. Grades, die man alle Jubeljahre einmal sieht, eine Freude bereiten. Und selbst wenn es nur was Kleines ist, Hauptsache, man kompensiert mit dieser kleinen Aufmerksamkeit die Tatsache, dass man seine Liebsten das ganze restliche Jahr über als selbstverständlich ansieht. 

Also macht man sich auf den Weg und tigert durch die Gänge der Kaufhäuser und Einkaufsstraßen mit der Hoffnung auf Inspiration. Gelockt von diversen Rabattaktionen und verbunden mit der Dringlichkeit des Kaufs tendiert man oft zu Spontankäufen. Dass diese Käufe oft ohne jegliche Bedeutung und Nutzen sind, versucht man zu verdrängen, und unter dem ein oder anderen Weihnachtsbaum landet dann schließlich doch das vorgefertigte und schon eingepackte Duschgel-Set mit passender Lotion und Duft.

Diese Art Geschenke zu besorgen bringt nicht nur den Beschenkten in eine unangenehme Situation á la „Cool danke, einen Eierschalensollbruchstellenverursacher – wollte ich schon immer mal haben“, sondern auch man selbst leidet unter dem Zwang, etwas besorgen zu müssen, und kann die Vorweihnachtszeit nicht wirklich genießen. 

Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist das eigentliche Wesen der Weihnacht, nämlich Zeit mit sich, seiner Familie und seinen Liebsten zu verbringen, immer mehr in den Hintergrund gerückt und wird mittlerweile primär durch gesellschaftlich aufgezwungenen Konsum und einen schon fast ritualen Kaufrausch ersetzt. Grund dafür ist wohl unter anderem die gestiegene Präsenz des Weihnachtsgeschäftes in Werbung und sozialen Medien. Aber auch die Adaption instrumentalisierter Vorweihnachts-Traditionen wie „Black Friday“ sind ein verlässlicher Reminder daran, dass man, wenn man jetzt nichts kauft, der uncoole Onkel ist, der an Weihnachten ohne Geschenke auftaucht. 

Hier ein paar „hard facts“ zum Weihnachtskonsum in Deutschland:
Die durchschnittlichen Pro-Kopf Ausgaben für Weihnachtsgeschenke sollen für 2020 ca. 500 Euro betragen. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/208623/umfrage/durchschnittliche-ausgaben-fuer-weihnachtsgeschenke-in-deutschland/)

Im Jahr 2020 wurden rund 151 Millionen Schokoladen-Weihnachtsmänner und –Nikoläuse von der deutschen Süßwarenindustrie produziert.
Im Jahr 2019 wurden in Deutschland Lebkuchen, Honigkuchen und Printen im Wert von rund 252,45 Millionen[L1] Euro produziert. (https://de.statista.com/themen/246/weihnachten/)

Der Handelsverband Deutschland prognostiziert für das Weihnachtsgeschäft 2020 ein Umsatzplus von 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf mehr als 103,9 Milliarden Euro. Der Anteil des Online-Handels am Weihnachtsumsatz steigt stetig an und wird für dieses Jahr auf 17,50 Milliarden Euro geschätzt. Das ist verglichen mit dem Vorjahr eine Steigerung um 19 Prozent. 

Die Internet-Händler erzielen in den letzten beiden Monaten des Jahres dabei schätzungsweise 25 Prozent ihres Jahresumsatzes. (https://www.handelsdaten.de/handelsthemen/weihnachten)

Vor allem dieses Jahr kommen wir in Versuchung, unsere Geschenke online zu besorgen, da uns das Corona-Virus die perfekte Ausrede liefert, warum wir uns nicht ins Stadtgetümmel stürzen sollten. Aber gerade jetzt ist es wichtiger denn je, kleinere lokale Geschäfte zu unterstützen, die dieses Jahr vielleicht schon kurz vor der Existenzkrise standen. Das Unterstützen vom Onlineversandhandel hat nicht nur negative Folgen für unsere Umwelt, sondern schadet auch dem Einzelhandel. Abgesehen davon kann ein Online-Weihnachtseinkauf auch eher mal in einem willkürlich zusammengewürfelten Warenkorb bestehend aus vorgeschlagenen Artikeln enden, in dem schon irgendwie für jeden was dabei sein wird. Diese unbedachten Einkäufe sind in den meisten Fällen nicht nur lieblos, sondern bringen wahrscheinlich auch keinem Beteiligten Freude. Oft sind es die versteckten, unbesuchten Lädchen, die ausgefallene, mit Liebe ausgewählte Geschenkideen zu bieten haben. 

Weihnachten ohne Geschenke – was sich zunächst nach dem Albtraum der meisten Kinder anhört, ist mittlerweile auch für viele Erwachsene unvorstellbar. Komplett auf die Bescherung zu verzichten wäre auch keine Lösung, zumal es eben darum geht, seinen Liebsten eine Freude zu bereiten. Die Feiertage bieten nun mal die perfekte Möglichkeit, einfach mal Danke zu sagen, sich zu revanchieren oder sich selbst zu belohnen. Jedoch besteht dabei eben auch die Gefahr, dass man im Konsumwahnsinn die eigentliche Bedeutung dieser Festlichkeit vergisst. Man sollte sich ab und zu in Erinnerung rufen, dass Gemeinsamzeit oft das sinnvollste und wertvollste Geschenk ist, das man machen kann, und oft nicht durch lieblose, materielle Spontankäufe ersetzt werden kann. 

Das alles umzusetzen ist natürlich leichter gesagt als getan, aber so könnt ihr es versuchen: 

  • Versucht, euch nächstes Jahr früh genug Gedanken darüber zu machen, wem ihr etwas schenken wollt und mit was ihr dieser Person wirklich eine Freude machen würdet. 
  • Sprecht euch mit den betroffenen Personen ab:
    Weihnachtswichteln innerhalb der Familie reduziert im Gesamten den Konsum und ermöglicht, sich auf die Besorgung nur eines passenden Geschenkes zu konzentrieren.
    Ihr könnt euch auch im Vorhinein darauf einigen, dass ihr die Bescherung mal ausfallen lasst und einfach einen besinnlichen Abend miteinander verbringt
  • Oft punktet (vor allem bei Erwachsenen) ein Geschenk mit sentimentalem Wert mehr als ein materielles.
  • Und wenn ihr schon dabei seid: versuchen, Online-Käufe zu vermeiden, den Einzelhandel unterstützen, recyceltes Geschenkpapier nutzen und Second-Hand-Geschenke in Betracht ziehen! 🙂 

In diesem Sinne: 2020 war ein außergewöhnliches und lehrreiches Jahr, das wir als Inspiration nehmen können, unsere Sicht auf den Weihnachtsbrauch des Konsums langfristig zu ändern. Denn besonders in diesem Jahr haben wir durch die Kontaktbeschränkungen gelernt, die gemeinsame Zeit mit Familie und Freunden zu schätzen und, dass man diese nicht kaufen kann.