balmyou – faire Sheabutter aus Uganda
Das Stipendienprogramm „Go Africa, Go Germany“ des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler hat Paul Langer Afrika nähergebracht und ihm gezeigt, welche Reichtümer, Möglichkeiten, aber eben auch Missstände existieren. Nachdem er zuerst eine Vertriebsgesellschaft für europäische Qualitätsöle und andere motorbezogene Produkte aufgebaut und die Marke LIQUI MOLY aus Deutschland nach Uganda und Ruanda brachte und diese weiterhin exklusiv vertreibt, kam ihm 2014 die Idee zur Gründung von balmyou. Zusammen mit seinem Doktorandenkollegen Tuna Kurtz möchte er mit einer Sheabutter den Kosmetikmarkt aufmischen, die den etablierten Marken mit Einfachheit, Nachhaltigkeit und dem Fokus auf das Produkt entgegentritt.
Paul, der seine Promotion auch als Absicherung für seine Unternehmen sieht, ist in den letzten drei Jahren mindestens zweimal jährlich in Uganda gewesen, um Beziehungen vor Ort aufzubauen und die Lieferkette zu etablieren. Im Interview spricht er nicht nur über sein Unternehmen balmyou, sondern gibt auch interessante Einblicke über Entrepreneurship und die Bedeutung von Nachhaltigkeit in Uganda.
Wie bist Du auf die Idee gekommen, Sheabutter herzustellen und in Deutschland zu vertreiben?
Ich hatte davor nicht viel mit Kosmetik zu tun, die Idee kam eigentlich dadurch, dass aus Uganda sehr viele unveredelte Produkte, also Rohstoffe, exportiert, was dazu führt, dass keine Wertschöpfung vor Ort stattfindet und damit nur wenige Jobs entstehen. Anfangs hatte ich dann die Idee, eine Schokoladenfabrik aufzubauen, da es viele Kakaoplantagen in Uganda gibt, aber trotzdem im Supermarkt nur europäische Schokolade angeboten wird. Für diese Idee hätte ich lange in Uganda bleiben müssen und hätte viel Geld gebraucht. Ich habe mich aber aus privaten Gründen gegen ein Leben in Uganda entschieden, wollte aber weiter eng mit den Menschen verbunden bleiben und dort aktiv sein. Wenn man allerdings Produkte aus Uganda nach Deutschland importieren möchte, sollte das Endprodukt aufgrund des komplizierten und teuren Transports möglichst klein und wertvoll sein. Im Endeffekt habe ich mich für Sheabutter entschieden, ein super Produkt, welches in seiner natürlichen Form weit besser ist als Kosmetika auf unserem Markt.
Dabei habt ihr euch auch dazu entschieden, entlang der gesamten Wertschöpfungskette besonders auf den nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu achten. Welche Probleme gibt es, die gesamte Lieferkette nachhaltig zu gestalten?
Im Nachhinein stellt sich häufig heraus, dass man im Moment noch nicht zu hundert Prozent nachhaltig sein kann, speziell bei uns ist das Thema ja nicht unproblematisch: Wir verschiffen über große Entfernungen und es ist sicherlich auch nicht nachhaltig, wenn ich fünfmal im Jahr nach Uganda fliege, aber wir geben unser Bestes. Auf der Farm wird sehr clever und ökologisch hergestellt, es gibt da ein nachhaltiges Verfahren namens „Vertical Farming“.
Was genau ist Vertical Farming und wie trägt es zur Nachhaltigkeit bei?
Nicht nur in Uganda gibt es aktuell eine Entwicklung weg von Monokulturen hin zu Mischkulturen, bei denen verschiedene Pflanzenarten, die jeweils eine andere vertikale Ebene im Raum beanspruchen, übereinander angebaut werden. Beispielsweise können hochwachsende Bäume (Krone auf der oberste Ebene), Bananenstauden (hohe Ebene), Kaffeebüsche (mittlere Ebene) und Bohnen (unten) gemeinsam angebaut werden. Das hat den Vorteil, dass pro Quadratmeter mehr Ertrag erwirtschaftet werden kann, die Böden nährstoffreicher sind und somit weniger gedüngt werden muss. Außerdem wird die Anfälligkeit für Krankheiten verringert und es kann kontinuierlich geerntet werden, ohne durch Rodung die Humusschicht zu gefährden. Natürlich ist Land nach diesem Anbauprinzip nur sehr schwer mit Maschinen zu bewirtschaften, was allerdings in Uganda bisher auch nur im wirklich großen Stil wirtschaftlich ist und aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sowieso sehr kritisch gesehen werden muss.
Abgesehen von der umweltbewussten Produktion: Wie unterscheidet sich balmyou-Sheabutter von den Produkten anderer Hersteller?
Das Besondere bei uns ist, dass unsere Sheabutter völlig chemiefrei ist. Bei anderen Herstellern ist meist nur sehr wenig Sheabutter enthalten und um sie haltbar zu machen, werden Konservierungsstoffe hinzugegeben. Unser Produkt ist rein und zu 100% Sheabutter. Ich rate jedem seine eigenen Kosmetika mal genauer anzuschauen. In fast allen ist unerhört viel Chemie. Man sagt, Sheabutter wäre die älteste Art der Kosmetik der Welt, selbst Kleopatra habe sie schon verwendet. Aufgrund der klimatischen Bedingungen gilt die ugandische Sheabutter als die Beste.
Nun bist Du aufgrund der Sheabutter-Produktion mehrmals im Jahr in Uganda. Wie nimmst Du vor Ort das Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit wahr?
Meiner Einschätzung nach sind sich die Menschen in Uganda grundsätzlich bewusst, dass die Natur und auch die günstigen klimatischen Bedingungen des eigenen Landes ein großer Segen sind, den es zu bewahren gilt. Der allergrößte Teil der Menschen lebt ja auch noch auf dem Land und setzt sich alltäglich mit dieser Natur – die Lebensgrundlage vieler – auseinander. Daher gibt es dort tatsächlich einige positive Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit: Seit 2007 gibt es beispielsweise ein Verbot für leichte Plastiktüten.
Da Ugandas Bevölkerung ein Durchschnittsalter von lediglich etwas mehr als 15 Jahren hat, viele in unsteten und oft sehr niedrigen Einkommensverhältnissen leben, ist eine nachhaltige Ressourcennutzung zur Bewahrung der Natur jedoch oft weniger wichtig als das schnelle Verlassen der aktuellen Situation. Die rasche wirtschaftliche Entwicklung des Landes wird auch von den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern als so bedeutend angesehen, dass Nachhaltigkeit und Umwelt oft zu kurz kommen.
Du kennst beide Lebenswelten, die vermutlich unterschiedlicher kaum sein könnten. Worin liegen die Unterschiede, aber womöglich auch die Gemeinsamkeiten bei der nachhaltigen Gestaltung des Alltags in den beiden Ländern?
Ich halte die moralische Verantwortung in Deutschland angesichts unseres Konsums und des damit einhergehenden Schadens für wesentlich größer als diejenige in Uganda. Der CO2-Ausstoß pro Kopf ist in Deutschland 90-mal höher als in Uganda. Ein großer Teil der Ugander lebt in existentieller Not und bewegt sich dabei immer noch in größerem Einklang mit der Natur als wir. Brechts „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ trifft nicht zu – den Armen in Uganda würde ich weder fehlende Moral noch fehlendes Verständnis für Nachhaltigkeit vorwerfen.
Parallelen sehe ich insbesondere dort, wo sich auch die Lebenswelten ähneln. Meine Freunde in Kampala sind in Uganda vergleichsweise wohlhabend und haben ähnliche Interessen und Lebensweisen, wie meine Freunde hier in Deutschland. Ähnlich wie hier erkenne ich auch in Uganda ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit, wenn etwa erkannt wird, dass der eigene Konsum Schaden anrichtet und nicht mehr von unserem Planeten aufgefangen werden kann.
In welcher Rolle siehst Du balmyou angesichts der sozialen und ökologischen Herausforderungen in Uganda?
Verglichen mit unserer Welt herrscht in Uganda große Armut, das ist die Hauptursache für soziale und ökologische Probleme. Probleme wie Korruption, Krankheiten, mangelnde Bildung und Umweltverschmutzung wären deutlich schwächer, würden die Einkommen entsprechend steigen. In Deutschland, einer Gesellschaft die größtenteils im Überfluss lebt, sind die Herausforderungen oft gerade mit diesem hohen Lebensstandard verbunden: Wir haben vergessen, wie wichtig es ist, bewusst zu konsumieren und richten damit an uns selbst aber auch in der Welt großen Schaden an.
Wir wollen mit balmyou bei vielen dieser Herausforderungen ansetzen. In Uganda kann das Einkommen nur steigen, wenn eine lokale und nachhaltige Wertschöpfung stattfindet und nicht wie aktuell Rohstoffe exportiert werden. Dafür setzen wir uns vor Ort ein. Und in Europa wollen wir erstens mit unserer Sheabutter eine simple und natürliche Alternative zu den häufig problematischen modernen Kosmetika bieten und zweitens diese so nachhaltig wie möglich herstellen und vertreiben. Dazu gehört auch, dass wir ein Pfandsystem für die von uns verkauften Tiegel etablieren wollen.
Wenn Du jetzt nochmal einen Ausblick wagst, was sind Deine Ziele mit balmyou?
Wir wollen erst einmal das Produkt etablieren. Es gibt verschiedene Aspekte, die daran interessant sind. Die Kosmetikbranche fällt völlig auseinander, es gibt immer mehr Produkte, die sich die Leute auf die Haut schmieren und nur wenige haben eine Ahnung, was da tatsächlich drin ist. Wir wollen die Kosmetikbranche wieder auf den Boden bringen. Mit einem ganz einfachen Produkt, einer Nuss, die gepresst wird. Es ist dermatologisch das beste Produkt und eine Botschaft an die Menschen: „Verwendet mal weniger, kommt runter, es reicht auch, wenn man einmal am Tag duscht und Sheabutter nutzt!“
Wir denken auch schon über neue Produkte nach, die nur einen Inhaltsstoff haben. Auch hier wollen wir die Wertschöpfung in Uganda oder anderen afrikanischen Ländern betreiben und somit Arbeitsplätze vor Ort schaffen. Denn so sollte es ja sein: Wir in Deutschland produzieren Autos, weil wir das gut können. Andererseits sollten wir Sheabutter aus Uganda kaufen, denn eine bessere gibt es einfach nicht.
Du sprichst die große Bedeutung von Wertschöpfung in Ländern wie Uganda an. Ist denn in Uganda eine Entrepreneurship-Bewegung zu spüren und welche Rolle spielt dort die Gründung von Unternehmen?
Uganda wurde schon als das „most entrepreneurial country“ bezeichnet, da sehr viele Ugander ihr eigenes kleines Business starten. Auch wenn es in Deutschland diesen Start-Up Hype gibt, statistisch gesehen ist Deutschland diesbezüglich doch sehr konservativ. Meiner Ansicht nach ist der Hauptgrund dafür leicht zu finden: Wer in Deutschland clever und studiert ist, findet normalerweise einen Job bei dem er eine Summe verdient, die deutlich über dem Einstiegsgehalt bei einem Start-Up liegt. In Uganda ist es andersherum: Selbst sehr clevere und super ausgebildete Ugander haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt. Was bleibt einem da anderes übrig, als sich selbstständig zu machen?
Welchen Herausforderungen stehen Gründer in Afrika auf dem Weg in die Selbstständigkeit gegenüber?
Ich denke, eines der größten Probleme für die meisten Ugander ist das fehlende und sehr teure Kapital. Darüber hinaus sind die Strukturen natürlich schrecklich: Die Bürokratie ist furchtbar und korrupt. Die meisten Gründer sind deshalb auch erst einmal informell aktiv – sie haben also zunächst keine Zulassung und bezahlen auch keine Steuern.
Wir deutschen Gründer werden sehr verwöhnt angesichts der ganzen Förderprogramme. Ich fühle mich regelrecht überschwemmt mit Einladungen zu Businessplan-Wettbewerben, Entrepreneurship Boot-Camps, Förderkredit- und Beratungsangeboten. Aber auch hier gibt es viele Vorschriften und es ist nicht so leicht, all´ den Anforderungen gerecht zu werden. Angesichts des ganzen Drumherums wünsche ich mir manchmal mehr Zeit für die Weiterentwicklung der Kernidee unseres Unternehmens.
Zum Glück bist Du dabei nicht alleine: In Tuna hast Du nicht nur einen Geschäftspartner, sondern fast schon einen Freund an Deiner Seite. Siehst Du dieses freundschaftliche Verhältnis als Vor- oder Nachteil?
Es führt dazu, dass wir oft keine professionelle sondern eine lockere freundschaftliche Zusammenarbeit haben, also, dass wir uns beispielsweise auf ein Bier treffen, bei dem wir dann unsere Ideen besprechen. Gerade im Entwicklungsprozess, in dem viel Kreativität benötigt wird, ist das sehr angenehm und auch super effektiv. Außerdem bin ich oft sehr kühl mit Kollegen, die ich nicht gut kenne. Ich habe bspw. einen Kollegen aus den USA, mit dem ich bzgl. des Vertriebgeschäfts in Uganda zusammenarbeite und den ich nur einmal persönlich gesehen habe. Wir schreiben uns teilweise sehr direkte Mails hin und her und sind sehr distanziert. Das würde definitiv nicht passieren, wenn wir uns besser kennen würden. Es gab noch nie Konflikte zwischen Tuna und mir – wir besprechen die Herausforderungen offen und finden dann entsprechende Lösungen.
Paul, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview wurde geführt von Max Nestele (Public Relations) und Simon David (Stellv. Vorstand – Finance).
Liebe Leser, hat euch das Interview gefallen? Was ist eure Meinung zu einem natürlichen und nachhaltig produzierten Pflegeprodukt wie Sheabutter? Schaut gerne auf der Website von balmyou rein: http://www.balmyou.com Wir sind gespannt auf eure Kommentare!
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