AquaTerraPonik – die urbane Nahrungsversorgung der Zukunft?
Smart Urban Farming in Berlin: Die Stadtfarm der Topfarmers GmbH betreibt eine besondere Form landwirtschaftlicher Produktion um Verbraucher mit möglichst frischen Lebensmitteln ohne lange Transportwege zu versorgen. Der Fisch und das knackige Gemüse werden mithilfe einer visionären Urban-Farming Lösung, der sogenannten AquaTerraPonik in nachhaltiger Kreislaufwirtschaft produziert. Dadurch lassen sich nicht nur effizient Ressourcen einsparen, sondern auch ein Beitrag zur Überfischung der Meere und der Lebensmittelverschwendung leisten. Immer globaleren Strukturen und Lieferketten setzt die StadtFarm ein besonders lokales System entgegen. Wir haben der Stadtfarm in Berlin-Lichtenberg einen Besuch abgestattet um uns selbst ein Bild davon zu machen wie Fisch, Gemüse und Salat in der Stadt produziert werden. Emilie Florenowsky, die bei der Stadtfarm die Verkaufsstandorte koordiniert, hat unsere Fragen beantwortet.
Seit wann gibt es die Stadtfarm und was genau macht ihr hier ?
Nach einigen Jahren der Technologieentwicklung in der Nähe vom Ostkreuz wurde hier im Landschaftspark Herzberge in Lichtenberg 2016/2017 in Berlin der erste Standort gegründet. Wir betreiben AquaTerraPonik, die folgendermaßen funktioniert: Afrikanische Welse wachsen und leben hier, ihre Ausscheidungen werden durch Bakterien und biologische Prozesse in Düngemittel verwandelt und damit werden unsere Pflanzen gedüngt. Wir düngen somit bio ohne Zusatz von chemischen Mitteln. Die Pflanzen reinigen dann das Wasser, das anschließend zurück zu den Fischen geht. Externer Input erfolgt nur durch das Zuführen von Fischfutter und der Fische, die wir nicht selbst züchten. Wir forschen momentan an eigener Herstellung von vegetarischem Fischfutter – hierbei setzen wir auf eine Schritt-für-Schritt Entwicklung.
Kannst Du uns ein paar Daten und Fakten zum Vertrieb und der Produktauswahl geben?
Auf einer Anbaufläche von 2100 m2 produzieren wir jährlich 50 t Fisch und 35 t Gemüse im Jahr. Dazu gehören momentan Salat, Tomaten, Gurken und Paprika. Im Herbst kommt dann anderes Gemüse wie Auberginen und Kürbis hinzu.
Unser Fokus beim Vertrieb liegt auf der Gastronomie, denn frischer kann man Fisch hier in Berlin nicht haben. Außerdem machen wir Direktvertrieb mit Schulen und Behörden und sind mit vielen Einzelhandelsunternehmen im Gespräch. So haben wir heute schon eine Kooperation mit der BioCompany zum Verkauf von Fisch, Kräutern und unseren verarbeiteten Produkten wie Pesto.
Sind Eure Produkte genauso gesund und lecker wie herkömmliche Lebensmittel?
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Gemüse, das reif geerntet wird, viel mehr Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe beinhaltet – und damit gesünder ist. Da wir direkt in der Stadt produzieren sind die Lieferwege sehr kurz und wir können reif ernten. Unser Fisch wiederum ist total lecker, mit festem rosa Fleisch, das sich sehr vielseitig zubereiten lässt. Fisch schmeckt nur dann muffig, wenn die Wasserqualität nicht stimmt – das ist bei uns ausgeschlossen!
Woran arbeitet ihr momentan?
Es soll bis zu 10 StadtFarmen in Berlin und bis zu 100 in ganz Deutschland geben. Einige davon sind schon für 2019 in Planung. Meist schauen wir uns Sanierungsprojekte an wie hier: Zu DDR Zeiten war der ganze Park voll mit Gewächshäusern für Schnittblumenverkauf. Wir haben die übrig gebliebenen saniert und mit der nötigen Technologie ausgestattet. Außerdem arbeitet unser Partner CLT an der Herstellung von eigenen nachwachsenden Heiz und Energieträgern – Pflanzenkohle – damit langfristig auch Energie Teil unseres geschlossenen Kreises ist.
Welche Probleme stellen sich Euch in den Weg?
Es gibt einige Baustellen. Besonders in erntereichen Zeiten wie im Sommer stehen wir vor der Herausforderung, all das reife Gemüse, Kräuter und Salate zu verarbeiten. Außerdem ist es um wirklich ultra-lokal zu sein nötig, in ganz Deutschland StadtFarmen zu haben, die dann im nahen Umkreis die Menschen versorgen. Es ist ein permanenter Entwicklungsprozess in Richtung Nachhaltigkeit. Von Anfang an perfekt zu sein ist nicht möglich. Das ist die Startup-Mentalität: Wir wachsen mit dem Erfolg.
Wie schätzt Du persönlich die Zukunft von Urban Farming ein – als zukünftige Konkurrenz für Supermärkte?
Ja, auf jeden Fall. Vor allem bei Betrachtung des internationalen Marktes, wie den USA, sieht man immer mehr Urban Farming Projekte. Allgemein gibt es heute in der Landwirtschaft Entwicklungen auf vielen verschiedenen Ebenen, so wird z.B. auch High-Tech in der Landwirtschaft eine große Rolle spielen. Doch es kommt auch Konkurrenz um Anbauflächen und die Problematik um Transportwege auf uns zu. Daher glaube ich, dass es eine Gegenentwicklung zum globalisierten Food-System und immer mehr Alternativen, die sich auch lokale Produkte fokussieren, geben wird.
Landwirtschaft mitten in der Stadt – nimmt das den Berlinern nicht dringend benötigten Wohnraum weg?
Wir wollen nicht vom abstrakten Begriff regional sprechen, sondern produzieren ultra-lokal. Es geht uns um die Lokalisierung der Lieferkette. Die Flächen auf denen StadtFarmen stehen können sind keine Flächen für Wohnbebauung, deshalb stehen wir in keiner Konkurrenz dazu. Vielmehr kann eine StadtFarm ein Wohngebiet perfekt ergänzen und teil einer attraktiven Quartierslösung sein. Wir sehen uns als biologische Alternative zur Stadtentwicklung.
Wo liegt der Vorteil Tomaten hier bei der Stadtfarm anstatt bei einem Biobauern aus Brandenburg zu kaufen?
Gute Frage. Ich glaube das ist eine Frage der Perspektive. Mir ist es auch sehr wichtig die Biobauern aus der Region zu unterstützen und einen Preisvorteil hat man hier nicht unbedingt. Man muss sich die Frage stellen “Wie kann ich meinen Einkauf anders gestalten?” und Alternativen zum Supermarkt als Mittelmann finden. Durch die Stadtfarm hat man direkten Vertrieb, besondere Frische und unterstützt ein innovatives Projekt. Zudem finde ich es wichtig, dass es freie Flächen hier in der Hauptstadt gibt.
Wie bist Du zur Stadtfarm gekommen?
Ich bin länger in der Nachhaltigkeitsberatung im Einzelhandelsbereich, auch freiberuflich, tätig und habe viele Projekte bezüglich Verpackungen, wie Unverpackt-Projekte, gemacht. Schließlich habe ich etwas gesucht, wo ich mehr über allgemeine Foodsysteme lernen und mich dabei einbringen kann. Als ich die Ausschreibung gesehen habe, wusste ich: Das passt perfekt. Mittelfristig werde ich auch daran arbeiten, wie wir unsere Fischlogistik auf Mehrweg umstellen können um auch hier einen geschlossen Kreislauf zu haben. Manchmal findet man doch genau das was man sucht!
Unsere Impressionen:
Bei 30 Grad im Schatten haben wir uns auf den Weg zur Stadtfarm gemacht und mit leckeren selbstgemachten Salaten gestärkt. Das Urban Farming Gemüse schmeckt genauso gut wie welches vom Acker, die Tomaten waren sogar etwas süßer als sonst. Einziger Verbesserungsvorschlag: Die Verpackungen des Salats selbst sowie die Holzgabeln sind komplett recyclebar, allein für die Dressingpackungen wurde noch keine passende Alternative gefunden, doch dafür wird sich Emilie sicherlich einsetzen. Danke für den spannenden Nachmittag und das spontane Interview!
Weitere Informationen zur Stadtfarm und deren Produkte finden sich hier: https://www.stadtfarm.de/stadtfarm/
Über die Autorinnen:
Katharina Menke
Public Relations
Katharina studiert im 2. Semester VWL und ist seit September 2017 im PR Ressort bei Infinity dabei. In ihrer Freizeit kocht und reist sie gerne und verwickelt sich immer wieder in politische Diskussionen.
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Mia Hofman
Finance
Mia studiert im 3. Semester BWL und ist seit diesem Semester Finanzvorstand bei Infinity. Neben dem Studium macht sie gerne Sport, lernt Sprachen und engagiert sich zum Thema Nachhaltigkeit.
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