Ein Bewusstsein gegen Plastikmüll schaffen und für ein Umdenken bei Verbrauchern sorgen – ​das hat sich das vor einem Jahr gegründete Start-Up ​Pacific Straws​ als Ziel gesetzt. Wie das Gründerteam auf die Idee kam, Glasstrohhalme zu produzieren, inwiefern Verbote nötig sind um Umdenken anzuregen und was bei Pacific Straws in Zukunft auf der Agenda steht, haben wir mit Mitgründer Robert Dehghan besprochen. Er hat im letzten Sommer seinen Bachelor in BWL an der Uni Mannheim abgeschlossen und befindet sich momentan im Gap Year, um sich komplett auf die Arbeit bei Pacific Straws konzentrieren zu können.

Im Juni hast du mit Lara und Corinna Schnieders Pacific Straws gegründet. Was war der Auslöser für die Gründung?

Ich war im Auslandssemester in Indien in Kalkutta, die Uni habe ich gewählt um einen besonders starken Kontrast zu unserem Leben hier zu erleben. Gestört hat mich dort vor allem der Müll auf den Straßen, da ich nicht nachvollziehen konnte, wie man Sachen einfach auf die Straße schmeißen und sich nicht drum kümmern kann. Dann kam ich irgendwann zu dem Schluss, dass auch wir Schuld daran haben, da Müll von hier in andere Länder exportiert wird. Außerdem hat Corinna bei ihrer Arbeit in der Gastronomie mitbekommen, wie viel Müll alleine dort anfällt. Daher kamen wir auf die Idee in diesem Bereich anzusetzen, als erster Schritt in Richtung weniger Müll. So ist die Idee von Glasstrinkhalmen statt Plastikhalmen entstanden.

Wie hoch ist der klimarelevante Vorteil Eurer Strohhalme im Vergleich zu Plastikstrohhalmen?

Wenn ich einen Glasstrohhalm nur einmal nutze ist er auf jeden Fall schädlicher als ein Plastikstrohhalm. Die Wiederverwendung ist also sehr wichtig. Studien gehen davon aus, dass sich ab 20 Benutzungen das Mehrwegprodukt rentiert. Ähnlich ist es ja auch bei Papiertüten, wenn sie nicht oft wiederverwendet werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Kunden die Strohhalme mehr als 50 Mal benutzen. Wir haben aber auch Kunden, die unsere Halme 10-15 Mal am Tag und hochgerechnet somit mehrere tausend Mal verwenden. Dadurch werden wirklich viele Plastikstrohhalme gespart. Alleine durch den Einsatz unserer Glastrinkhalme werden mehrere Millionen Einwegstrohhalme jährlich gespart.

Alternativen zu Plastikstrohhalmen gibt es viele. Was hältst Du z.B. von Strohhalmen aus Biomaterial?

Ich finde, dass man generell auch eine Möglichkeit für To-Go-Produkte braucht. Das geht mit Glas eher nicht, außer man führt ein Pfandsystem ein wie beim MaCup an der Uni Mannheim. Der Punkt ist: Die kompostierbaren Strohhalme sind recht teuer und können nicht wiederverwendet werden. Für Gastrobetriebe kann das ziemlich teuer werden auf Dauer.
Außerdem werden die Bio-Halme auf unseren Mülldeponien oftmals gar nicht recycelt, sondern lediglich verbrannt, da dies günstiger ist. Glas kann voll recycelt werden und bleibt somit im Umlauf, auch wenn es mal kaputt geht

Wird sich das EU-weite Verbot von Plastikstrohhalmen auf Pacific Straws auswirken?

Wir sind ja inzwischen in viele Läden reingegangen und haben versucht unser Produkt vorzustellen. Dabei kam natürlich am Anfang immer die Skepsis, von wegen “warum sollte ich auf Glasstrohhalme umstellen, das funktioniert doch alles mit Plastik”. Gleichzeitig kam dann das EU-Verbot, aber trotzdem ist das Thema noch nicht so stark in den Köpfen drin.
Mittlerweile ändert sich jedoch auch das. Es könnte sogar schädlich für das Geschäft von Gastronomen sein weiterhin auf Plastikhalme zu setzen, auch wenn das Verbot erst in 1.5 Jahren umgesetzt wird. Da die Kunden jetzt schon umdenken und z.B. ihren eigenen Strohhalm mitnehmen, müssen auch die Gastronomen umdenken.

Sind denn dann Verbote sinnvoll, wenn das Umdenken vor allem von den Kunden ausgeht? Oder sind sie sogar der Grund dafür, dass Menschen umdenken?

Also ich bin generell kein Freund von Verboten. Ich finde die Menschen sollen selber auf die Idee kommen und das Umdenken hat auch langsam angefangen. Menschen achten mehr auf ihren Lebensstil, darauf wo das Fleisch im Einkaufskorb herkommt usw. Zum Thema Glashalme: Vor dem Verbot waren keine Anreize da etwas am eigenen Verhalten zu ändern. Aber eigentlich wäre es besser gewesen, wenn wir die Menschen dazu gebracht hätten, ihr Verhalten auch ohne Verbot zu ändern. Dann würde sich auch niemand zu etwas gezwungen fühlen.
Genau dieses Ziel verfolgen wir mit Pacific Straws. Uns geht es nicht darum lediglich Glashalme zu verkaufen, vielmehr möchten wir zeigen, dass es auch viele andere attraktive Möglichkeiten gibt, um mehr auf unsere Umwelt zu achten. Mit dem “Information Monday” auf unseren Social-Media Kanälen haben wir daher auch versucht, den Menschen zu zeigen: Hier kann man drüber nachdenken, da kann man etwas ändern. Wir wollen die Menschen nur aufmerksam machen und zum Denken anregen – dann fängt das Handeln auch ohne Verbote von selbst an. Das ist unser Ziel. Damit können wir am Ende einen wirklichen Social Impact haben.

Warum habt ihr dafür das Produkt des Strohhalms ausgewählt? Es gibt schließlich viele Plastikprodukte, bei denen Alternativen gebraucht werden.

Für uns war der Strohhalm eines der naheliegendsten Probleme. Sie sind ein sehr simples Produkt und werden auch täglich in riesigen Mengen benutzt. Deshalb ist für uns der Strohhalm der Anfang, um den Menschen zu zeigen, dass es bereits Alternativen gibt und diese auch für andere Produkte gefunden werden können. Da Lara und Corinna familiär bedingt aus der Spezialglas-Branche kommen, haben wir auch den Vorteil, auf ein bestehendes Expertennetzwerk in der Produktion zurückgreifen zu können. Wenn wir etwas bei Dritten einkaufen würden, könnten wir nie nachvollziehen wie das Produkt hergestellt wird und ob die Qualität immer stimmt. Das ist ein sehr großer Vorteil, durch den wir wirtschaftlich und konkurrenzfähig bleiben können. Gleichzeitig ermöglicht uns das auch immer unsere selbst gesetzten Standards bezüglich Qualität und Umweltschutz zu erfüllen.

Ihr vertreibt Eure Strohhalme auch an Privatkunden und versendet die Strohhalme online. Online-Versand ist nicht gerade nachhaltig. Wie bringt ihr das mit Eurer Philosophie in Einklang?

Guter Punkt. Wir versenden zum einen nur mit recycelten Kartons, die schon einmal benutzt wurden. Dafür gehen wir in Möbelhäuser und holen dort alte Kartons. Die Kartons werden dann mit altem Zeitungspapier gestopft, es wird somit nie ein neuer Rohstoff verwendet. Außerdem versuchen wir hauptsächlich über ein Händlernetzwerk zu agieren, das heißt wir haben deutschlandweit Kooperationen mit Unverpackt-Läden und Supermärkten, in denen die Privatkunden unsere Trinkhalme kaufen können. Zudem wägen wir ab, wenn uns Anfragen von Privatkunden erreichen. Wir sagen ihnen in welchem Laden sie die Strohhalme kaufen können, oder bringen in Städten wie z.B. Mannheim die Strohhalme persönlich vorbei. Wirtschaftlich ist das natürlich nicht immer, aber uns ist der persönliche Kontakt zum Kunden sehr wichtig. So bauen wir eine starke Vertrauensbasis zu unseren Kunden auf und bekommen jederzeit direktes Feedback.

Wo siehst Du bei Eurem Konzept noch Verbesserungsbedarf?

Natürlich wächst die Konkurrenz. Wir waren mit die ersten Anbieter von Glasstrohhalmen. Jetzt kommen viele große Konzerne, die die Produkte aus China importieren und hier unter deutschem Namen verkaufen. Da man das als Kunde nicht sieht, wollen wir noch mehr auf unsere Mission aufmerksam machen, und verdeutlichen dass wir ein lokales Unternehmen sind, das derzeit Produkte anbietet, die genauso teuer sind wie die Konkurrenz aus Fernost und trotzdem regional und unter höchsten Qualitätsansprüchen von uns produziert wurden. Wir kontrollieren beispielsweise jeden Halm drei Mal bevor er an unsere Kunden versendet wird. Diesen Qualitätsunterschied wollen wir auch in Zukunft in den Vordergrund stellen.

Liegt Euer Fokus auf dem Gastrogewerbe?

Unsere größten Kunden sind momentan Hotels, beziehungsweise Hotelketten. Eigentlich ganz interessant, wenn Du da einmal den Kontakt aufbaust und ein Hotel gute Erfahrungen mit unseren Trinkhalmen macht werden diese anschließend flächendeckend in der ganzen Kette eingeführt. Allerdings arbeiten wir auch mit verschiedenen Einzelhändlern zusammen, die die Strohhalme dann für uns an Privatkunden weiterverkaufen. Uns geht es aber nicht nur um die großen Kunden: Jeder Kunde, auch einer, der vielleicht nur zwanzig Stück bestellt, also zum Beispiel das Café um die Ecke, erhöht die Reichweite, und das ist eigentlich viel mehr wert als 500 Strohhalme auf einmal zu verkaufen.

Wir haben insgesamt über 100 Kunden, mittlerweile auch in anderen europäischen Ländern, Österreich und Spanien, und exportieren die Halme nun auch nach Korea und Japan!

Ihr habt jetzt bei Q-Summit den Social Pitch gewonnen. Nachhaltig seid ihr, klar, aber was ist an eurem Startup wirklich sozial?

Ein Startup, dass alle seine Gewinne spendet, sind wir bisher nicht. Wir haben uns aber auch selbst keine Gehälter ausgezahlt, sondern alles direkt wieder in die Firma reinvestiert und sind deshalb auch komplett Eigenkapitalfinanziert. Sobald wir aber mehr Gewinne herausbekommen, oder auch bei Preisgeldern wie jetzt beim Q-Summit gewinnen, wollen wir einen Teil des Geldes in Projekte investieren, bei denen wir z.B. eigene Beach Clean-Ups, wie kommenden Monat am Mittelmeer, veranstalten. Unser Ziel ist nämlich nicht nur, kein Plastik mehr in den Ozean zu bringen, sondern auch wieder welches rauszuholen. Einen Teil wollen wir auch noch in Marketing investieren, um noch mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen.

Viele junge Leute könnten sich vorstellen ein Social Startup zu gründen, aber warten auf eine zündende Idee. Was würdest Du ihnen auf den Weg mitgeben?

Wir hatten niemals die feste Idee, ein Unternehmen zu gründen. Wir haben das mit den Glashalmen bei uns selber ausprobiert, mit Freunden, auf Partys. Und irgendwann kommt dann der Moment, an dem du weißt, dass du einen Schritt weiter gehen musst. Genauso ist es, wenn man etwas Soziales anfangen will. Ich glaube, dass wir dann auch selbst realisieren, wenn genau dieser Moment kommt. Wenn du eine Idee hast, hinter der du stehst, und diese umsetzt, kommt der Rest von selbst. Allerdings muss man dazusagen, dass wir mit dem Partnernetzwerk von Beginn an Glück hatten . Hätten wir diese Partner nicht gehabt, hätten wir zu ganz anderen Preisen produzieren müssen, wahrscheinlich über Externe finanziert, was dann in der Form nicht praktikabel gewesen wäre. Das Gute ist, dass die Uni einen da immerhin personell fördert. Finanziell muss man aber schauen. Ich finde, da fehlt auch etwas der Rückhalt von der Politik, gerade für soziale Projekte. Aber auch wenn es nicht läuft, hast du so viele Erfahrungen gesammelt, die du sonst nirgendwo bekommen kannst und das ist es auf jeden Fall wert. Bevor man wirklich den Schritt zur Gründung macht finde ich, dass das wichtigste ist, mit möglichst vielen unterschiedlichen Leuten über seine Idee zu sprechen. Durch den engen Austausch bekommt man direktes Feedback, das mit am wertvollsten für die Gründungsphase ist. Ich bin da auch selbst für jeden offen und helfe auch gerne, wenn ich weiß, dass ich damit auch etwas bewirke!

Vielen Dank für das Interview, Robert!

Über die Autorinnen:

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Katharina Menke
Public Relations

Katharina studiert im 4. Semester VWL und ist seit September 2017 im PR Ressort bei Infinity dabei. In ihrer Freizeit kocht und reist sie gerne und verwickelt sich immer wieder in politische Diskussionen.



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Valentina Turturo
Public Relations

Valentina studiert im 2. Semester Psychologie und ist seit dem Anfang ihres Studiums bei Infinity dabei . In ihrer Freizeit tanzt sie Ballett, macht Musik und engagiert sich über Infinity für ein grüneres Mannheim.