Nachhaltiger Lebensmittelkonsum für alle! Unter diesem Motto verkaufen dieses Jahr fünf Studierende der Universität Mannheim zum ersten Mal den „Tür für Tür“-Adventskalender in Mannheim. Die fünf lernten sich in einem Social Entrepreneurship-Seminar kennen und entwickelten das Projekt gemeinsam. In Kooperation mit fairen, regionalen oder saisonalen Läden, Cafés und Restaurants wollen sie besonders Studenten und Studentinnen zu bewussterem Essen und Trinken anregen – und dabei auf Mannheims vielfältiges Angebot aufmerksam machen. Christina (Master of Management), Flo (Master of Management) und Pascal (Master of Laws) erzählen uns hier von ihrer Idee, ihren Plänen und der Wichtigkeit von Kommunikation im Team.

 

Dieses Jahr wird es zum ersten Mal den „Tür für Tür“-Kalender geben. Wann und wo gibt es den zu kaufen?

Christina: Den Kalender verkaufen wir Mitte November an ausgewählten Tag an der Uni Mannheim, der Hochschule Mannheim und der Akademie für Waldorfpädagogik. Unsere Haupt-Zielgruppe sind Studenten. Die haben nämlich oft wenig Geld, Zeit oder Interesse, um beim Kauf von Lebensmitteln auf Nachhaltigkeit zu achten oder die vielen guten Cafés und Restaurants auszuprobieren, die es hier in Mannheim gibt. Von daher konzentrieren wir uns auf die Uni, stehen mit dem Dekanat für BWL und verschiedenen Initiativen in Kontakt.

 

Wie würdet ihr in eigenen Worten das Konzept des Adventskalenders erklären?

Flo: Naja, es ist ein Adventskalender (lacht). Es gibt 24 Türchen, hinter jedem Türchen versteckt sich ein Coupon für einen Ort in Mannheim. Der Ort muss mindestens eins der fünf Kriterien fair, sozial, ökologisch, regional und saisonal erfüllen, zusätzlich achten wir noch auf verringerten Fleischkonsum. Mit den Coupons wollen wir Studenten motivieren, die Orte zu entdecken, dabei Spaß zu haben, und über nachhaltigen Konsum nachzudenken.

 

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Wie kamt ihr eigentlich ausgerechnet auf einen Adventskalender?

C: Die Idee war, das Projekt so einfach und so wirkungsvoll wie möglich zu machen. Das Ding ist, Themen wie Nachhaltigkeit, gerade in Bezug auf Essen sind so emotionsgeladen, und es ist ganz schwierig, etwas zu finden, was jedem gefällt. Wir haben lange überlegt, und am Ende ist uns eingefallen: Adventskalender sind etwas, was jeder aus seiner Kindheit kennt, was jeder irgendwie cool findet, egal wie man zu dem Thema Nachhaltigkeit steht. Dementsprechend sind auch unsere Organisationen sehr vielfältig, sodass für jeden in Mannheim was dabei ist.

 

Und wie habt ihr Eure Kooperationspartner gefunden? Kanntet ihr die vorher schon?

C: Wir haben ganz schön viel recherchiert und hatten eine sehr lange Liste, am Ende hatten wir weit mehr als 24 und auch mehr als 24, die mitmachen wollten. Wir haben dann nach unseren fünf Kriterien geguckt und versucht, es möglichst abwechslungsreich zu gestalten, sodass wir am Ende nicht nur Marktstände oder Cafés haben, sondern von Allem was dabei ist.

 

Wie ging der Prozess der Kooperationsbildung dann vonstatten?

F: Wir haben zunächst entweder per Mail, per Telefon oder persönlich vor Ort angefragt, ob Interesse besteht. Wir haben dann aber auch schnell gemerkt, dass das persönliche Gespräch am besten ist, um das Konzept vorzustellen und sich kennenzulernen.

C: Ich muss sagen, ich war überrascht, wie kooperationsfreudig die Organisationen waren. Wir hatten nie eine Organisation angesprochen, als wir das Konzept im Kurs entwickelt haben und ich hätte gedacht, das könnte ein bisschen schwierig werden. Dabei war das total gut, die waren alle sehr kooperativ und haben uns coole Sachen angeboten.

 

Gab es auch Situationen, in denen es mit den Partnern schwierig wurde?

F: Es gab ein paar Fälle, in denen der angebotene Coupon für Studenten nicht so attraktiv war, zum Beispiel ein Rabatt ab einem Einkaufswert von 50 Euro. Da mussten wir dann nochmal nachhaken, die Partner sind dann aber meistens sehr kooperativ gewesen.

 

Warum habt ihr euch eigentlich auf Essen spezialisiert? Bei Nachhaltigkeit denkt man doch auch an Mode, vielleicht Kosmetik?

F: Zum einen war unsere Ausgangsfragestellung im Seminar, wie wir nachhaltigeren Lebensmittelkonsum fördern können. Die haben wir gewählt, da wir alle gutes Essen schätzen und das Thema einige von uns schon vorher beschäftigt hat. Zum Anderen sollen die Coupons in unserem Kalender prinzipiell auch nicht Anreize für mehr Einkauf setzen. Essen und Trinken muss ja aber jeder. Und hier wollen wir mit dem Kalender einfach Alternativen aufzeigen und Denkanstöße setzen. Für die Zukunft können wir uns aber vorstellen auch bestimmte andere Orte vorzustellen.

C: Jetzt ist eben das Pilotprojekt, da mussten wir es irgendwie eingrenzen, und da uns das Thema Essen allen sehr am Herzen liegt, sind wir dabei geblieben. Aber klar, ich glaube das würde auch mit anderen Sachen funktionieren.

P: Wie schon gesagt, Essen muss jeder, das heißt, geschlechterübergreifend können wir da jeden ansprechen. Kleidung ist beispielsweise so ein Thema, bei dem es viele Jungs gibt, die es gar nicht schert, was sie anziehen, und über Lebensmittel können wir jeden Studenten, egal wo seine Prioritäten liegen, erreichen. Aber es stimmt schon, dass sich, gerade auch im Bereich Kleidung, viel ändern müsste.

 

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Gibt es etwas, dass ihr zum Thema Nachhaltigkeit an Mannheim verändern wollen würdet?

C: Auf jeden Fall Müll! Allgemein gibt es in der Stadt schon viel, aber speziell an der Uni, wie vermutlich in jeder Stadt, gibt es viel, das man verändern sollte, zum Beispiel den großen Verbrauch an Coffee-To-Go-Bechern oder Lebensmittelverschwendung. Apps wie „To Good To Go“ könnte man hier auch noch mehr verbreiten. Es gibt schon richtig viele Initiativen, die coole Dinge machen, aber es könnte immer noch mehr gehen.

F: In der Vergangenheit haben wir auch mitbekommen, dass viele dieser Initiativen oft leider nur einen geringen Wirkungskreis haben. Da wollen wir auch mit unserem Kalender ansetzen. Wir wollen ihnen eine Plattform geben, damit, wenn sie wollen, noch mehr Leute von ihnen erfahren. Zum Beispiel haben wir ein Türchen zur SoLaWi, einem bereits existierenden Projekt, dass wir vorstellen wollen. Wir haben zwei solcher Türchen, hinter denen es keine Coupons gibt, sondern nur Informationen. Wir fanden die Konzepte dieser Organisationen so cool, dass wir sie im Kalender aufnehmen wollten. In Mannheim könnte man außerdem in der Uni in der Lehre an manchen Stellen etwas verändern.

P: Auch wenn man sagen muss, dass sich in der Lehre schon viel getan hat. Unser Projekt entstammt ja auch aus der Lehre, da muss man an die Uni mal ein Lob aussprechen. Ich glaube, im Vergleich zu anderen Universitäten, gerade in BWL, hat sich da seit der Finanzkrise eine kleine Revolution getan.

 

Was würdet ihr Leuten mit auf den Weg geben, die ein nachhaltiges Startup ihrer Stadt gründen wollen?

P: Sie müssen auf jeden Fall wirklich wollen. Das Konzept innerhalb eines solchen Kurses zu schreiben geht relativ schnell und relativ einfach, dann kann man es vorstellen und bekommt viel Lob von allen Seiten. Aber dann wirklich die Initiative zu ergreifen und das Risiko einzugehen, das Ganze umzusetzen, das ist glaube ich der Kernfaktor gewesen. Da muss ich ein Lob an den Florian aussprechen, der hat so eine Motivation in sich, zu sagen „Okay, am Tag X trommel ich jetzt meine Leute zusammen, dann setzen wir uns hin und bis Mitte November steht da ein Kalender“ und damit hat er uns alle mitgerissen. Das war Kernelement für mich, mich an „Tür zu Tür“ zu beteiligen, da ich gesehen habe, dass jeder genau so will wie ich selbst. Wenn man das Ziel vor Augen hat, ist es wahnsinnig einfach, es in die Tat umzusetzen.

F: Kleine Korrektur: Ich selbst wollte es eigentlich nicht umsetzen (lacht). Ich wollte nur unbedingt, dass es umgesetzt wird. Aber in der kurzen Zeit war es jetzt gut und wichtig, dass wir alle daran gearbeitet haben.

 

Gab es auch Probleme?

C: Es waren immer so Kleinigkeiten, an denen man gemerkt hat, dass da eigentlich doch viel mehr hintersteckt, als man denkt. Aber es ist eben learning by doing, und ich glaube, man muss es in kleinen Schritten Stück für Stück machen, dann klappt das schon. Was bei uns dazukam, war, dass es ja ein Adventskalender werden sollte, wir also nicht sagen konnten: „Gut, dann kommt er halt zwei Monate später“, und dann gab es auf einmal ganz viele Dinge, die wir noch machen mussten, und die sich alle verzögert haben. Mit diesem Zeitdruck umzugehen und trotzdem alles so gut wie möglich zu machen, war denke ich unsere größte Schwierigkeit.

P: Natürlich hatten wir die Herausforderungen, die jedes andere Startup auch hat. Es fängt an bei der Gründung, und ich habe zwar einen juristischen Hintergrund, habe aber noch nie selber gegründet. Man denkt am Anfang, es ist alles easy, und dann gibt es doch immer wieder viele Kleinigkeiten. Was gut war, war, dass jeder jeden da ein bisschen kontrolliert hat. Die Anderen haben bei dem was ich mache, nochmal reingeguckt, und am Ende des Tages hab ich auch in Bereiche reingequatscht, die gar nicht zu meinen Kernaufgaben gehört haben.

F: Das fand ich aber auch gut!

C: Das würde ich auch jedem als „learning“ mit auf den Weg geben – am Anfang muss man schon schauen, dass man alles, was man braucht, im Team zusammenbekommt. Wir sind alle sehr verschieden in dem, was wir wissen, aber am Ende hat uns das geholfen, weil man, wenn man Informationen brauchte, immer nach außen kommunizieren konnte – auch, um Feedback einzuholen. Feedback hat uns allgemein sehr geholfen, von Freunden, Kooperationen, …

 

Gibt es etwas, was ihr heute anders machen würdet?

F: Früher anfangen!

P: Klar gibt es beim ersten Mal immer Stress, den man beim zweiten Mal nicht mehr hat, mit der Gründung zum Beispiel. Aber hätten wir dieses Jahr früher angefangen, wäre es sicherlich entspannter geworden. Und nächstes Jahr? Wollt ihr etwas verändern?

F: Da wir den Kalender ja noch nicht verkauft haben, wissen wir noch nicht, wie es dieses Jahr läuft. Der Plan ist aber, sich viel Feedback einzuholen, das zu evaluieren und gegebenenfalls von dem Geld, dass wir jetzt einnehmen, zwei oder drei Druckstipendien für ähnliche Projekte in anderen Städten zu vergeben.

P: Das ist ja ein Projekt, das sehr gut auch in anderen Städten Erfolg haben könnte. Erfolg bedeutet für uns nicht, tausend Kalender zu verkaufen, sondern zu sehen, wie er die Einstellung der Leute, die ihn gekauft haben, verändert hat.

 

Gibt es noch etwas, was ihr abschließend sagen wollt?

P: Ich finde es ist wichtig, zu sagen, dass der Kalender ein Projekt von Mannheim für Mannheim ist. Dementsprechend wollten wir schon in der Produktion des Kalenders selbst diverse Leute aus Mannheim mit einbeziehen und haben deshalb beschlossen, das Design auf Basis eines Kunstwerks zu gestalten, das in einer Werkstätte für Menschen mit Behinderungen gemalt wurde. So konnten wir noch eine Mannheimer Gruppe mit einbeziehen und den Produktionsprozess sozial gestalten. Das Ziel für nächstes Jahr wäre dann, auch den Druck selbst regional und nachhaltig zu gestalten.

 

Wir bedanken uns für das Interview!

 


Über die Autorin:

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Valentina Turturo
Public Relations
Valentina studiert im ersten Semester Psychologie und ist direkt bei Infinity eingestiegen. In ihrer Freizeit tanzt sie Ballett, macht Musik und engagiert sich über Infinity für ein grüneres Mannheim.