„Meinen Kindern soll es einmal besser gehen als mir“ – diesen Satz hat wahrscheinlich jeder schon gehört. Tatsächlich tun Eltern und Großeltern viel, um ihre Kinder möglichst gut auf die Zukunft vorzubereiten und ihnen die nötigen Ressourcen für ein unbeschwertes Leben mitzugeben. Sie zahlen monatlich Geld auf Sparkonten ein, ermöglichen ihnen Auslandsaufenthalte und Musikunterricht, geben ihre Erfahrungen weiter, fördern sie durch Nachhilfe.

Aber lässt sich dieser altbekannte Spruch auch auf eine höhere Ebene übertragen? Handeln wir als Gesellschaft so, dass es den Menschen, die nach uns kommen, besser gehen wird als uns – oder zumindest gleich gut?

Nun ja. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass unser Lebensstil das Klima auf der Erde schwerwiegend beeinflusst. Trotzdem sind viel zu lange, eigentlich bis heute, keine ernsthaften Maßnahmen ergriffen wurden, um den Klimawandel zu stoppen. Noch immer steigen die Emissionen, weltweit wurde auch 2018 mehr CO2 ausgestoßen als im Jahr zuvor. Die, die am meisten unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden werden, sind die, die bisher nichts oder nur wenig zur Erderwärmung beigetragen haben – ganz einfach, weil sie noch nicht geboren wurden oder noch sehr jung sind. Außerdem stehen Insekten, die durch Bestäubung maßgeblich zu unserer Ernährungssicherheit beitragen, massiv unter Druck. Wir haben noch immer kein Endlager für unseren Atommüll. Obwohl schon lange klar ist, dass die Alten immer älter und die Jungen immer weniger werden, gibt es noch keine ausreichenden Bemühungen, das Sozialsystem zukunftsfähig zu machen und so langfristig vor einem Kollaps zu bewahren.

Unsere politischen Spielregeln sollten dafür sorgen, dass die Kosten und der Nutzen unserer Handlungen zwischen allen Generationen gerecht aufgeteilt werden, sowohl zwischen den jungen und den älteren als auch zwischen den lebenden und zukünftigen Generationen. Im Moment aber spielen wir mit gezinkten Würfeln, die Gegenwart wiegt in der politischen Entscheidungsfindung sehr viel schwerer als die Zukunft. Wir schummeln, indem wir die Last unseres heutigen Lebensstandards unseren Nachkommen aufbürden.

Politik, als gäbe es kein Morgen

Warum aber produziert das politische System gesetzliche Rahmenbedingungen, die nicht generationengerecht sind? Ungeborene können nicht wählen und ihre Interessen so ins politische System einbringen. Zukünftige Generationen haben also keine Repräsentant*innen im Bundestag, die sich für ihre Belange einsetzen. Auch Mitglieder der jüngeren Generationen, die von den langfristigen Folgen heutiger Politik viel eher betroffen sein werden als ihre Eltern und Großeltern, haben in Zeiten des demografischen Wandels keine große Wählermacht. Das hat sich bei den Europawahlen eindrucksvoll gezeigt: Während die Grünen, die für eine engagierte Klimapolitik und damit den Erhalt unserer zukünftigen Lebensgrundlagen stehen, in allen Altersgruppen unter sechzig stärkste Kraft wurden, ging die Union als Wahlsiegerin hervor. Diese hat in der Kohorte der Über-Sechzigjährigen die meisten Stimmen bekommen.

Dass auch wir Jungen nicht immer heute schon an morgen denken, weiß jeder, der schon einmal am Freitagmorgen in der 8:30-Vorlesung saß, nachdem er am Abend zuvor auf dem Schneckenhof zu oft am Shotstand vorbeigeschaut hatte. Menschen fällt es schwer, kurzfristig auf etwas zu verzichten, selbst, wenn langfristig Vorteile daraus entstehen. Das gilt vor allem für so komplexe und abstrakte Themen wie den Klimawandel, bei denen die Zusammenhänge von kurzfristigem Verzicht und langfristigem Gewinn nicht so einfach nachvollziehbar sind.

Dieses Wissen bedingt auch das Verhalten der Politiker*innen. Wahlperioden sind kurz, und wer wiedergewählt werden möchte, sollte auf die Umsetzung von Versprechen setzen, die in dieser kurzen Zeit Erfolg bringen können. Viele Veränderungen, die langfristig sinnvoll und wichtig sind, sind allerdings zunächst schmerzhaft für Wähler*innen. Der Ausstieg aus der Braunkohle ist beispielsweise unabdingbar für den Klimaschutz, kostet aber erst einmal Arbeitsplätze.

Zwar gibt es in Deutschland Institutionen, die die Kurzsichtigkeit der Politik korrigieren sollen. Dazu gehören zum Beispiel der Rat für nachhaltige Entwicklung und eine Nachhaltigkeitsprüfung für Gesetzesentwürfe. Allerdings reichen diese nicht aus, um den Blick der Politik für die Interessen späterer Generationen zu schärfen, dazu sind die Institutionen nicht mächtig genug.

Stimme der nachkommenden Generationen

Wer also setzt sich ein für die Zukunft der jungen Generation, wer gibt der nachfolgenden Generation eine Stimme? Die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG), bei der ich gerade ein Praktikum mache, macht sich für Generationengerechtigkeit stark. Als Thinktank steht sie zwischen Wissenschaft und Politik. Die SRzG zeigt in ihren Positionen auf, wo in Sachen Generationengerechtigkeit Probleme vorliegen, wo es noch Handlungsbedarf gibt. Allerdings beschwert sie sich nicht nur, sondern erarbeitet vor allem auch Lösungsvorschläge und konkrete Forderungen, die dann, in der Hoffnung auf Umsetzung, an politische Akteure weitergegeben werden. Sie ist eine Art Lobby für die Zukunft. Gleichzeitig möchte die SRzG die Öffentlichkeit für Generationengerechtigkeit sensibilisieren und den gesellschaftlichen Diskurs zum Thema fördern. Deshalb referieren SRzG-Vertreter*innen auf Veranstaltungen und sprechen in Talkshows.

Da die Politikfelder, auf denen mehr für Generationengerechtigkeit getan werden sollte, so vielfältig sind, ist auch die SRzG thematisch sehr breit aufgestellt. Sie arbeitet unter anderem zu Klimaschutz, Rente und Arbeitsmarkt. Auch mit möglichen Reformen des politischen Systems, das ja die Wurzel der vorherrschenden Generationenungerechtigkeit ist, beschäftigt sie sich. Unter den Ideen ist ein Wahlrecht ohne Altersgrenzen. Dieses würde die Übermacht der alten Wähler ein wenig verringern und die am politischen Prozess teilhaben lassen, die die Folgen der heutigen Entscheidungen am längsten tragen müssen. Außerdem ist ein Zukunftsrat unter den Forderungen der SRzG, ein Rat aus Wissenschaftlern also, die die politischen Entscheidungen auf ihre langfristige Wirkung hin überwachen. Dieser soll der Bundesregierung Empfehlungen geben, auf die diese reagieren muss – und damit dazu beitragen, dass wir als Gesellschaft dafür sorgen, dass es unseren Kindern und Kindeskindern später mindestens genauso gut geht wie uns jetzt.

Link zur Homepage der Stiftung:

generationengerechtigkeit.info

Über die Autorinnen:

Franziska Scholl
CSR/SE
Franziska studiert im 7. Semester Politikwissenschaft mit Beifach Psychologie und ist seit 2 Semestern bei Infinity. Gerade macht sie ein Praktikum bei der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und entdeckt nebenbei Stuttgart.