Dieses Frühjahr haben Mitglieder von Infinity Mannheim die Nachhaltigkeitskonferenz Sensability der WHU in Vallendar besucht. Einer der vielen spannenden Vorträge kam von Jesse Pielke (Head of Operations) und Torsten Schreiber (Gründer) von Africa GreenTec: sie beschrieben, wie sie mit mobilen Containern Solarenergie in entlegene afrikanische Dörfer bringen wollen, um die Energiewende durch sozial-orientierte Schwarmkraftwerke voranzubringen. Da wir mehr über ihr großes Vorhaben erfahren wollten, konnten wir sie an ihrem Firmensitz in der Nähe von Hanau besuchen – welcher ironischerweise in direkter Nachbarschaft eines Kohle- und Gas-Kraftwerks liegt.

 

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Hinten links Jesse und Torsten von Africa GreenTec, zusammen mit den Praktikantinnen Julia und Annike – davor David, Sarah und Anna-Jo von Infinity Mannheim.

Was war denn der Anlass zur Gründung?

Dieser war im Juni 2014 während dem Besuch eines Dieselkraftwerks in Mali. Dort werden täglich über 170.000 Liter Diesel verbrannt. Zu dem Zeitpunkt war Torsten als Mitgründer von bettervest im Bereich Energieeffizienz aktiv, erkannte jedoch, dass das Umrüsten von Fitnessstudios auf LEDs nicht den größtmöglichen Beitrag zur Energiewende bedeutete. Das war die Initialzündung, und 2016 gründete er Africa GreenTec, um tatsächliche Veränderung zu bewirken.

 

Und welche Eigenschaften braucht es zum Gründen?

Zum Gründen braucht es einen sehr starken inneren Willen und viel Überzeugung. Ein Social Start-Up zu gründen braucht dabei nochmal eine ganz andere Art von Motivation. Dazu gehören der Wunsch und der Wille wirklich etwas zu verändern, und vor allem viel Standfestigkeit, nämlich um die Idee und die eigene Meinung zu vertreten – besonders gegen Zweifler. Man muss sich aber selber auch immer wieder klar machen, wieso man das macht.

 

Hand auf’s Herz: Gab es Momente, in denen Sie alles hinschmeißen wollten?

Die „gibt’s jeden Tag“. Aber zu wissen,

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Die Solarflächen des Solartainers – im Hintergrund das Kraftwerk Staudinger bei Hanau.
dass man Verantwortung für die Menschen trägt, die mit im Projekt drin stecken und fest daran glauben, das motiviert. Africa GreenTec hat noch eine besondere Herausforderung, da es ein bilaterales Start-Up ist, das in zwei Ländern und auf zwei Kontinenten aktiv ist.

Die größte Herausforderung ist dabei die Synchronisation der Arbeit. Da auf afrikanischer Seite eine stabile Internetverbindung nicht immer gewährleistet werden kann, gibt es zwei Arbeitsgeschwindigkeiten, was enorm frustrieren kann. Daher ist bilaterales Reisen der Teams wichtig, um mehr Verständnis zu schaffen. Torsten nimmt seine deutschen Mitarbeiter sukzessive nach Afrika mit, damit sie die Kultur und Religion in muslimisch geprägten Ländern kennen lernen.

Africa GreenTec baut und betreibt Afrikas erstes öko-effektives, nachhaltiges und soziales Schwarmkraftwerk. Der Solarcontainer Prototyp wurde im September 2015 erfolgreich in Betrieb genommen. Die bisher gewonnenen Daten und Erfahrungen sind bereits in die Konstruktion des 2016er Modells “Amali“ eingeflossen, das als erste Serienversion in kommenden Projekten und auch für die Erweiterung von “Mourdiah” eingesetzt werden soll. Durch den Solarcontainer (“Solartainer”) werden 40 t CO2 pro Jahr eingespart.

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Wie viele Solar-Container sollen insgesamt aufgestellt werden?

Das kommt natürlich auf die Entwicklung an, aber insgesamt sollen drei Millionen Menschen damit versorgt werden, was rund 750 Solartainer erfordert. Die Container bieten ein fungibles Asset für Investoren, auch bedingt durch ihre Mobilität. Sie werden nicht im Boden verankert und können deshalb auch wieder abgebaut und umgesiedelt werden. Das ermöglicht einen schnellen und starken Impact.

In den Einsatzregionen gibt es derzeit normalerweise vier Stunden Strom am Tag; mit einem Container werden es 13. Die Standorte werden nach lokalen Gegebenheiten ausgewählt, basierend auf Bedarf und der Existenz von Kleingewerben. Wurde ein Ort ausgewählt, werden ebenfalls Wachpersonal und Elektriker für anfallende Reparaturen aus der lokalen Bevölkerung ausgebildet.

SDG 9: Innovation und Infrastruktur und SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz

Das SDG 9 konzentriert sich auf den Aufbau einer robusten Infrastruktur, zusammen mit der Förderung inklusiver und nachhaltiger Industrialisierungen und Innovationen. Das ist gerade in ländlichen Gebieten essentiell, um lokales Wachstum und das Wohlbefinden der dort lebenden Menschen fördern zu können. Dieses Ziel kann gut mit dem 13. SDG kombiniert werden, welches das dringende Ergreifen von Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen propagiert.

 

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Africa GreenTec ist wohlvertraut mit den SDGs und hat einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht in Auftrag gegeben, damit sie ihre eigene Wirkung in Bezug auf die einzelnen Ziele genau bewerten können.

Wie schafft Africa GreenTec es, sich zu finanzieren?

Africa GreenTec ist eine AG, die sich über Investoren finanziert. Per se sind wir kein Sozialunternehmen, sondern eine AG mit Tochtergesellschaften, samt Kalkulationen, Marge und Personal. Africa GreenTec ist außerdem die erste Projektgesellschaft welche mit deutschem Crowdfunding Projekte in Afrika finanziert. Die hierfür notwendige Kalkulation hatte zwei Triggerpunkte: erstens sollte Diesel substituiert werden, und zweitens sollte der Solarstrom zum halben Strompreis des vorherigen Dieselpreises angeboten werden können.

Meist hat sich auf dem Weg ergeben, was gemacht werden muss. Das komplette Modell basiert auf betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten; eine Finanzierung über Anleihen ermöglicht beispielsweise das Verteilen sprungfixer Kosten. Dabei muss jedoch immer ein Gleichgewicht zwischen partiellen Eigeninteressen gewahrt werden. Africa GreenTec selbst strebt es an, ein Stromkonzern zu werden.

 

Glauben Sie, dass der Trend zu Social Entrepreneurship steigt und dass es wirklich eine Veränderung in unserer Gesellschaft bewirken kann?

Das kann man nicht afrika-green-tec-solartainer1sicher sagen, jedoch ist eine schnelle Umsetzung der nötigen Veränderungen fraglich. Wie kann das sein? Es muss immer eine Gegenbewegung geben. Wichtig ist insbesondere, dass die eigenen Vorstellungen beispielhaft vorgelebt werden, um sie besser verdeutlichen zu können, genauso wie Empathie, und dass man nicht aufgibt.

Es sieht nicht so aus als würde das schnell gelingen können, insbesondere da sich politisch eine andere Entwicklung abzeichnet. Jedoch können wir gut über Nischen daran arbeiten, einen viralen Ansatz zu erreichen. Wichtig ist auch, dass es nicht nur eine Lösung gibt; wir möchten nur eigene Inspirationen bieten, und Andere sollen es so umsetzen wie sie es verstehen.

 

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Jesse und Torsten mit Sarah und Anna-Jo unter dem Solardach des ausgeklappten Solartainers.

Wie sieht die Solarindustrie in 10 Jahren aus?

Vor zehn Jahren war der Preis für Solarstrom fünfmal so teuer, noch dazu mit schlechterer Leistung. Seitdem ist ein dramatischer Preisverfall eingetreten, sodass es vor zwei Jahren zum entscheidenden Punkt kam: der Preis pro installierter Megawattstunde sank unter den von fossilen Stromträgern. Das führt zwangsläufig zu vermehrter Investition in solare Energieträger; deren Ausbau nimmt zu, was dann zu einer sukzessiven Umstellung führt. Alte, abgeschriebene Kraftwerke hingegen werden nicht erneuert, sondern ersetzt.

Problematisch ist bei Solarenergie jedoch, dass es keine 24h-Technologie darstellt, was das dauerhafte Durchsetzen gegen fossile Energieträger erschwert. Das vergrößert die Bedeutung von Lösungen zur Zwischenspeicherung der Sonnenenergie; erst sobald Solarstrom durchschnittlich günstiger ist als rein fossiler, wird die für den Klimawandel so notwendige Energiewende ermöglicht. Dafür ist auch eine gesteigerte Effizienz und geringerer Energieverbrauch einzelner Geräte wichtig.

Africa GreenTec plant, den Fokus auf bestehende Dörfer auszubauen, mit Blick auf dezentrale Energie, Wasserversorgung und Bildung. Wichtig ist dabei, dass ein ganzheitliches Konzept dargestellt wird, welches den Zugang zum Wachstum ermöglicht.

 

Wir bedanken uns sehr herzlich bei Torsten und Jesse – nicht nur für die Einladung nach Hainburg, sondern auch für die viele Zeit, die sie sich genommen haben, um uns über ein spannendes Interview sowie die Führung zum Solartainer ihr Vorhaben näher zu bringen – und natürlich auch für die leckere Pizza zum Abschluss!

Mehr über Africa Green Tec könnt ihr hier und hier erfahren. Auch bei Facebook lassen sich viele Entwicklungen des Unternehmens hautnah miterleben – und wem das noch nicht reicht kann sich auch bei einem Freiwilligenverein engagieren.

 


Über die Autorinnen:

Anna-JosephineAnna-Josephine Krüger
CSR/SE
Anna-Jo studiert BWL und Anglistik im Master und ist Teil des CSR-Ressorts. Sie war vorher in Frankfurt, liebt Kamele und bereitet gerade ihre Masterarbeit im CSR-Bereich vor.

 

Sarah Baumjohann
IT & Quality Management
Sarah studiert im 5. Semester BWL im Bachelor, ist Teil des IT Ressorts und engagiert sich neben Infinity in der Politik. Aktuell arbeitet sie als Werkstudentin bei der SAP SE im Bereich Engineering Services and Operations.