“Die Modeindustrie ist per se nicht nachhaltig, kann aber nachhaltig gestaltet werden. Slow Fashion als Gegenbewegung zu Fast Fashion ist ein erster Schritt.”, so die Bloggerin Madeleine Alizadeh von DariaDaria in unserem Interview. Es scheint, als wollten viele Unternehmen weiterhin die Dringlichkeit von nachhaltigeren Zulieferungs- und Produktionsketten verleugnen – letztendlich kosten diese Veränderungen ja auch Geld. Doch es wird immer deutlicher, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Damit sich wirklich etwas ändert, bräuchte es mehr Druck von den Kunden. Doch den gibt es kaum und so wird weiterhin Billigmode produziert, die nur darauf wartet, wieder entsorgt zu werden. Alles wird scheinbar teurer; nur unsere Kleidung wird immer billiger: Ein T-Shirt bei Fast Fashion Ketten kostet meistens weniger als 5 Euro. Doch der wahre Preis unserer Kleidung geht über das Preisschild weit hinaus.

 

Erst letzten Monat enthüllte eine dänische Dokumentation, dass der Modegigant H&M jedes Jahr tonnenweise ungetragene Kleidung verbrennt. Nachdem die Dokumentation veröffentlicht wurde, bestätigte H&M diesen Vorwurf unter dem Vorwand, dies aufgrund von Qualitätsmängeln zu tun. Die Macher der Reportage sind überzeugt davon, dass die Modehäuser die Kleidung aus Kostengründen verbrennen. Bei dieser Thematik wird leider dennoch häufig vergessen, dass nicht nur Billigmodekonzerne, sondern auch teurere Marken umweltschädlich produzieren und handeln. Egal ob T-Shirt, Jeans oder Sneakers – auch hier gilt: nicht alles was teuer ist, muss gut und gesund sein. Durch diese und viele andere Ereignisse in den letzten Jahren – man denke nur an das Einstürzen verschiedener Sweatshops – werden die vielen Schattenseiten dieser Industrie sichtbar.

 

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Die Umweltverschmutzung durch die Textilindustrie ist ein globales Problem: Nach der Ölindustrie gilt diese derzeit als die zweitschmutzigste Industrie weltweit. Laut der Umweltorganisation Greenpeace enthalten viele Artikel bekannter Marken Spuren der Chemikalie Nonylphenolethoxylate (NPE). Obwohl diese Reste nicht unmittelbar gesundheitsschädlich sind, wird NPE in hochgiftiges Nonylphenol (NP) umgewandelt und gelangt über das Abwasser in Seen und Flüsse und so auch in die Nahrungskette. Darüber hinaus ist auch der Wasserverbrauch dieser Branche erschreckend: Um 1kg Stoff zu produzieren, werden bis zu 100 Liter Wasser verbraucht.

“Social Influencer” – eine Tätigkeit, die erst durch soziale Medien entstanden ist und für viele ‘Normalverdiener’ überhaupt nicht greifbar ist. Beim Influencer Marketing werden gezielt Blogger mit einer reichweitenstarken Community für Marketing- und Kommunikationszwecke eingesetzt, um so die Glaubwürdigkeit der eigenen Markenbotschaft zu steigern. Dass diese Glaubwürdigkeit oft monetär erkauft wurde, wird, wenn überhaupt, nur im Nebensatz erwähnt.

Maddie von DariaDaria gewann schnell Gefallen am Erfolg als Influencer, nachdem sie 2010 anfing zu bloggen und ihr Blog schon nach kurzer Zeit zu einem der meistgelesenen Blogs im deutschsprachigen Raum wurde. Tag für Tag bekam sie Pakete von namhaften Marken und wurde zu imposanten Events eingeladen. Doch auch dieser scheinbare Erfolg hat seine Nachteile. In ihrem TedTalk erzählt sie, dass sie mit der Zeit- und immer weniger Bewegungsraum in ihrer Wohnung- diesen Lebensstil immer mehr kritisch hinterfragte: Was ist der wahre Preis von meinem Konsum? Macht mich dieser Konsum glücklich?

Genau das war der ausschlaggebende Punkt für Maddie, eine andere Richtung als Bloggerin einzuschlagen. Bis heute nutzt sie ihre Stimme, um Nachhaltigkeit zu fördern und arbeitet seitdem nur noch mit nachhaltigen Unternehmen zusammen. In ihren Blogposts thematisiert sie Nachhaltigkeit, Fair Fashion und Lifestyle. Maddie zeigt, dass Influencer Marketing auch anders aussehen kann, wenn man sich selbst und seinem Wertesystem treu bleibt. Offen gesteht sie in ihrem TedTalk, dass sie jetzt zwar weniger verdiene, da sie nur noch wenige Anfragen annehme, dafür aber voll und ganz hinter ihrer Arbeit stehen könne.

 

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Fotocredits: Maximilian Salzer

„Nachhaltig bedeutet, ein Leben zu führen bei dem Mensch, Tier und Umwelt so wenig Schaden wie möglich zugefügt wird.“

 

Dies impliziere , dass wir jeden Schritt, den wir tun, hinterfragen. Bei jedem Kauf, und –im Fall von Maddie –bei jeder beruflichen Entscheidung, müsse abgewogen werden, ob diese wirklich mit der eigenen Vorstellung von Nachhaltigkeit harmoniere.

Auch Unternehmen wie H&M wollen scheinbar die Dringlichkeit von Veränderungen in der Modeindustrie verstanden haben und werben so mit “nachhaltigen Modelinien” aus Bio-Baumwolle. In ihrem Nachhaltigkeitsbericht wird beispielsweise deklariert, einen präventiven Ansatz gegen gefährliche Chemikalien übernommen zu haben – was genau damit gemeint ist, bleibt allerdings unklar. Für Maddie ist Nachhaltigkeit in der Modeindustrie nach wie vor eine Nische. Es kommen zwar immer mehr nachhaltige Modelabels heraus und auch größere Unternehmen sind im Zugzwang zu agieren, dennoch sieht Maddie hier aber Greenwashing als eines der größten Probleme, welches von vielen Fast Fashion Herstellern betrieben wird.

Greenwashing bezeichnet den Versuch von Unternehmen, durch Marketing- und PR-Maßnahmen ein „grünes Image“ zu erlangen, ohne allerdings entsprechende Maßnahmen im Rahmen der Wertschöpfung zu implementieren. Bezog sich der Begriff ursprünglich auf eine suggerierte Umweltfreundlichkeit, findet dieser mittlerweile auch für suggerierte Unternehmensverantwortung Verwendung.

Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon

Die Frage bleibt, ob solche nachhaltige Kollektionen wirklich ein Schritt in die richtige Richtung sind. Hier sei es wichtig zu hinterfragen, wie viel Prozent des Budgets tatsächlich für die ‘grüne’ Tätigkeit aufgewendet wird und wie viel nur Kommunikationsbudget ist. “Wenn ein Sneakerlabel 200 Modelle hat und 1% davon aus recyceltem Plastik bestehen, die Kommunikation nach Außen aber diese recycelten Sneaker viel größer aufbläst, suggeriert das der Kundin/dem Kunden, dass das Unternehmen grüner sei, als es tatsächlich ist“, so Maddie.

Bei vielen Herstellern würde nur 20% in die eigentliche Entwicklung des nachhaltigen Produktes gehen, während 80% in das Marketing fließen. Im Idealfall sollte es aber genau umgekehrt sein, denn den Kern solle das nachhaltige Produkt bilden. Kurz: “Wenn ein Unternehmen eine vermeintlich nachhaltige Aktivität startet, die aber nichts mit ihrem Produkt und ihrem Kerngeschäft zu tun hat, dann ist das Greenwashing, weil es bloß ein reiner PR-Gag ist”. Mehr Informationen zum Thema Greenwashing findet ihr außerdem hier.

 

„Mein Ratschlag wäre es, nicht zu dogmatisch zu denken und versuchen, Zusammenhänge zu verstehen. Sprich: in Grauzonen zu denken, statt schwarz weiß.“

 

Heute, nach 7 Jahren als hauptberufliche Bloggerin, schlägt auch Maddie neue Wege ein. Im September diesen Jahres kam ihre erste Podcast-Folge raus. “a mindful mess” spricht diejenigen an, wie der Name schon verrät, die nicht perfekt sind, aber wie Maddie versuchen, ihr Bestes zu geben. Hier spricht sie neben Nachhaltigkeit unter anderem über die Glaubwürdigkeit von Bloggern, vegane Ernährung und Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung.

Außerdem entwarf sie ihre eigene kleine Kollektion, die aus einem Sweatshirt, zwei T-Shirts und einem Jutebeutel besteht. “Éthical” wird nachhaltig produziert und vertrieben: Um möglichst ressourcenschonend und nachhaltig zu agieren, werden die angebotenen Kleidungsstücke nur auf Bestellung bedruckt.

 

„Uploading a picture of a fast fashion item, that is really cheap, much cheaper than it should be, on my blog is basically like Bono at a U2 concert picking up the microphone and saying to the audience of 100.000 people: forget the human rights – buy cheap clothing“ – Maddie in ihrem TedTalk

 

Deshalb: Macht von eurer Stimme Gebrauch! Denn jede Kaufentscheidung spiegelt kurz- und längerfristig unsere Wertvorstellungen wieder.

Genau aus diesem Grund wollen wir euch in zwei Wochen verschiedene Marken und Möglichkeiten, seinen Kleiderschrank nachhaltiger zu gestalten, in unserem Slow Fashion Guide vorstellen!

Wir bedanken uns bei Maddie für dieses aufschlussreiche und interessante Interview!

 


Über die Autorin:

Rebecca Neumayr
Public Relations
Rebecca studiert im 4. Semester Anglistik mit BWL im Bachelor und ist Teil des PR Ressorts. Aktuell arbeitet sie als studentische Hilfskraft bei der Mannheim Business School.